„Das Erfolgsrezept bei uns lautet Teamgeist und Ehrgeiz"

„Das Erfolgsrezept bei uns lautet Teamgeist und Ehrgeiz"

In den vergangenen Monaten machte vor allem ein Personalie in Handball-Deutschland Schlagzeilen: Die Ernennung von Christian Prokop als Nachfolger von Dagur Sigurðsson. Trotz seiner erst 38 Jahre hat der Leipziger schon eine beeindruckende Vita als Spieler und Trainer vorzuweisen. Als Bewerbungsschreiben für den Job des Bundestrainers gilt seine fast vierjährige Arbeit beim SC DHfK Leipzig. Diese war so erfolgreich, dass ein Anruf von DHB-Vize Bob Hanning folgte. DHfK-Geschäftsführer Karsten Günther ist voll des Lobes über seinen Noch-Trainer: „Christian Prokop ist ein total Handballverrückter, der sein Training und die Vorbereitung auf´s Spiel bis ins letzte Detail plant. Er arbeitet zielorientiert, ist erfolgshungrig und liebt unsere Sportart. Es macht mir große Freude, mit ihm über viele Dinge auf Augenhöhe zu diskutieren. Aber er schafft es auch, beim Feiern mal nicht an Handball zu denken. Zudem ist Christian ein absoluter Familienmensch.“
 
Herr Prokop, ihr Vater war über 40 Jahre Handballtrainer. Wie sehr hat er ihren Lebensweg als Handballspieler und -trainer geprägt?
Christian Prokop: „Von meinem Vater bin ich in Sachen Handball enorm beeinflusst worden. Ich wurde jedoch von ihm nicht zum Handball gedrängt, konnte als Kind mehrere Sportarten wie Fußball, Leichtathletik, Schwimmen oder Schach ausprobieren. Mit ca. sieben Jahren begann ich dann bei der HG 85 Köthen Handball zu spielen. Ein Verein, der schon damals viel Wert auf Jugendarbeit gelegt hat. Ich erinnere mich noch gut an die Wendezeit, als wir jedes Jahr auf´s Neue an Rasenturnieren in Hildesheim oder im westfälischen Borken mit den gesamten Nachwuchsteams teilnahmen. Das waren tolle Erlebnisse für junge Handballer. Mein Vater ist ein Stück weit als Trainer Vorbild für mich, weil er zum einen die alte Trainerschule mit Werten wie Respekt, natürliche Autorität und Disziplin vertritt, gleichzeitig aber schon damals moderne Trainingsinhalte in seine Arbeit mit hat einfließen lassen.“

Ihre aktive Karriere als Handballer, unter anderen als Spieler des HC Wuppertal und GWD Minden in der 1. Bundesliga, mussten Sie schon im Alter von 22 Jahren beenden. Wie war damals die Situation für Sie?
Christian Prokop: „Ich hatte einen Knorpelschaden im Knie, mit dem ich schon längere Zeit zu kämpfen hatte. Solch eine Verletzung ist leider ein fortlaufender, begleitender Prozess. Das Knie hat mir damals immer wieder die Rückmeldung gegeben, dass es nicht mehr geht. In den drei Jahren meiner aktiven Bundesligakarriere ging es des Öfteren zwischen Spiel, Training, OP´s und Reha hin und her. Nach meiner letzten Saison in Minden habe ich dann alles auf eine Karte gesetzt, musste aber feststellen, dass das Knie den Belastungen des Bundesligaalltags nicht mehr standhält. Ich war ziemlich enttäuscht, aber nicht geschockt, da es ja kein abruptes Ende gab. Somit konnte ich den Blick schnell nach vorn richten.“

Apropos `alles auf eine Karte gesetzt´: Was ihre aktive Karriere wohl einzigartig macht, ist die Tatsache, dass Sie aufgrund der Verletzungsanfälligkeit ihres linken Knies von Rechts- und Linkshänder umgeschult haben. Wie geht so etwas als Bundesligaspieler?
Christian Prokop: „Da haben mehrere Faktoren eine Rolle gespielt. Während meiner Jugend standen häufiger Trainingseinheiten auf dem Programm, in denen wir mit der schwächeren Hand agierten. Beispielsweise musste ein Halblinker im rechten Rückraum spielen, ein Linksaußen auf Rechtsaußen. Diese Spiegelungen und das Trainieren der Beidhändigkeit gehörten damals zum Trainingsalltag in meinem Verein. Dazu kommt, dass mein Vater Linkshänder ist und ich somit genetisch von ihm etwas mitbekommen habe. Als ich dann als Profi in Minden vor der Frage stand, wie ich meine Karriere fortführen kann, habe ich den Ehrgeiz entwickelt, umzuschulen, um mein lädiertes linkes Knie zu entlasten. Dazu hatte ich mit Unterstützung von mehreren Seiten einen Plan entwickelt, den es dann umzusetzen galt. Zuerst wurde ich operiert, um eine leichte X-Bein Stellung in eine leichte O-Bein Stellung zu korrigieren und somit die Belastungsachse zu verändern. Schon kurz nach der OP habe ich damit begonnen, die Feinmotorik meiner linken Hand zu trainieren. Bis auf Schreiben habe ich alles bewusst mit links gemacht. Ich war insgesamt 12 Wochen auf Gehhilfen unterwegs, anschließend folgte die Reha. In dieser Zeit habe ich begonnen, parallel zum Rehaprogramm auch mit links zu werfen. Auch andere Freizeitaktivitäten wie Tennis oder Bowling habe ich mit meiner linken Hand ausgeführt. Das hat insgesamt ganz gut geklappt, so dass ich am Ende mit links ca. 70 bis 80 % der Wurfkraft meines rechten Arms erreicht hatte. Ich hatte große Zuversicht, wieder in den Bundesligaalltag einsteigen zu können, zumal ich jetzt auch beidhändig gut werfen konnte. Doch Minden spielte damals gegen den Abstieg und entließ Trainer Alexander Rymanow, der auf mich gesetzt hatte. Und der neue Trainer sowie GWD-Manager Horst Bredemeier machten mir damals klar, dass der Abstiegskampf in der Bundesliga das falsche Experimentierfeld für meinen Wiedereinstieg war. Zurück in Köthen musste ich der Wahrheit leider ins Auge blicken, dass meine Zeit als Spieler in der Bundesliga vorbei ist, zumal auch immer wieder Schwellungen in meinem linken Knie unter sportlicher Belastung auftraten. Wichtig für mich damals: Einen klaren Schlussstrich ziehen zu können.“

Direkt im Anschluss haben Sie mit der Ausbildung zur Trainer-B-Lizenz begonnen. Wie kam es dazu? Gab es schon immer den Plan, nach der aktiven Karriere die Trainerlaufbahn einzuschlagen?
Christian Prokop: „Als Jugendlicher gab es nur den Traum, Bundesligaspieler zu werden. Dafür habe ich alles getan. Nach meiner aktiven Zeit wollte ich dem Handball verbunden bleiben und in einer anderen Funktion weitermachen. Mir hat die Arbeit mit Menschen und Gruppen schon immer gefallen. Deshalb habe ich bereits während meiner Zeit als Spieler ein Lehramtsstudium an der Universität Magdeburg begonnen, konnte dort aber parallel zum Leistungssport nur wenige Prüfungen absolvieren. Nach dem feststehenden Karriereende bin ich mehrfach verreist, um erst mal etwas Abstand zu bekommen. Im Jahr 2004 habe ich einen Anruf von Gerald Oberbeck aus Hildesheim bekommen, der mir das Angebot gemacht hat, bei der Eintracht als Co-Trainer der Bundesligamannschaft und als Coach von A- und E-Jugend einzusteigen. Parallel dazu habe ich dort erneut ein Lehramtsstudium mit den Fächern Sport und Wirtschaft aufgenommen.“

Stichwort Lehramtsstudium – dieses haben Sie abgeschlossen und auch das Referendariat erfolgreich beendet. War der Beruf des Lehrers eine wirkliche Option? Lässt es sich als Trainer entspannter arbeiten, wenn man eine berufliche Alternative im Rücken hat?
Christian Prokop: „Für mich war die Ausbildung zum Lehrer sehr wichtig und zugleich eine Absicherung neben dem Trainergeschäft. Der Trainerjob ist mein Traumberuf, jedoch die Möglichkeit zu haben, als Lehrer arbeiten zu können, ist mir wichtig.“

Was in Ihrer bisherigen Trainer-Vita auffällt: Mit Magdeburg, Essen und Leipzig haben Sie viel in Bundesliga-Vereinen gearbeitet, die ihren Fokus auf die Jugendarbeit und Entwicklung junger Talente legen. 
Christian Prokop: „Bei den SC Magdeburg Youngsters ging es darum, Talente in der 2. Bundesliga zu etablieren und weiterzuentwickeln, so dass diese sich für höhere Aufgaben empfehlen können. Auch das Ausbildungskonzept bei TUSEM Essen hat mich nachhaltig beeindruckt, der Verein ist in Sachen Talentförderung sehr gut aufgestellt. Das zeigt alleine die Tatsache, dass aktuelle Nationalspieler wie Julius Kühn, Niklas Pieczkowski und Ole Rahmel dort den Sprung in die Bundesliga geschafft haben. Als Verein und handelnder Trainer muss man aber den Mut haben, jungen Spielern Spielzeit und Vertrauen zu geben. Leipziger Eigengewächse wie Lukas Binder, Lucas Krzikalla oder Franz Semper sind weitere gute Beispiele für einen möglichen Karriereweg.“ 

Seit Sommer 2013 sind Sie als Trainer entscheidend an der Erfolgsgeschichte des SC DHfK Leipzig beteiligt. Wenn Sie die vergangenen knapp vier Jahre einmal Revue passieren lassen, was geht Ihnen da durch den Kopf? Aufsteiger hatten es in den vergangenen Jahren bekanntlich sehr schwer, sich in der 1. Bundesliga zu etablieren. Wie lautet das Leipziger Erfolgsrezept?
Christian Prokop: „Das Erfolgsrezept bei uns lautet Teamgeist und Ehrgeiz. Schon bei der ersten Kontaktaufnahme mit Karsten Günther und Stefan Kretzschmar haben sich ihre Vorstellungen von Bundesligahandball zu 100 % mit den meinen gedeckt. Die Art und Weise der Gespräche hat mich begeistert und ich war angetan vom Projekt in Leipzig. Karsten Günther ist das Herzstück dieses Vereins. Er hat es geschafft, eine Zukunftsvision für den Verein zu entwerfen und die Region für Handball zu begeistern. Stefan Kretzschmar steht uns mit seiner Strahlkraft in den Medien sowie als Fachmann, wenn es darum geht sich sportlich auszutauschen und neue Spieler zu verpflichten, aktiv zur Seite. Als ich 2013 zum SC DHfK kam, habe ich schon gute Strukturen im Verein vorgefunden, die anschließend weiter ausgebaut wurden. Es gibt mit unserer Nachwuchsabteilung einen sehr guten Unterbau, der tägliche Trainingsbetrieb in der Arena samt medizinischer Abteilung funktioniert reibungslos, dazu haben wir in unserer Stadt ein junges Publikum, das uns toll unterstützt. Nur so konnte ich der Mannschaft erfolgreich meine Handschrift vermitteln. Nach dem Aufstieg in die 1. Bundesliga war uns die Schwere der Aufgabe bewusst. Zum Auftakt standen Hamburg, Melsungen, Berlin und Magdeburg auf dem Programm. Da hatten uns viele im Sommer 2015 einen Start mit 0:8 Punkten prognostiziert. Nach vier Spielen standen aber sensationell 4:4 Punkte zu Buche, wodurch weiteres Selbstvertrauen getankt werden konnte. Dazu die Handball-Euphorie in der Stadt, die uns anschließend durch die gesamte Spielzeit getragen hat. Am Ende der Saison standen wir mit 30 Punkten auf Platz 11, und dass mit vielen unbekannten Spielern aus der 2. Bundesliga. Nicht wenige Experten haben uns anschließend eine schwere zweite Saison vorhergesagt, so dass auch im Umfeld des Vereins etwas Ungewissheit zu spüren war. Umso schöner, jetzt im April mit 28 Punkten und dem 6. Tabellenplatz schon die Gewissheit zu haben, dass Leipzig auch in der kommenden Saison in der 1. Bundesliga vertreten sein wird.“ 

Mitte März haben Sie  in zwei Länderspielen gegen Schweden ihren Einstand als Bundestrainer gegeben. Kurz gefragt: Wie war´s?
Christian Prokop: „Es war ein intensiver Lehrgang mit vielen wichtigen Eindrücken und Erfahrungen. Gerade in Hamburg beim `Tag des Handballs´ wurden wir von den Zuschauern toll empfangen und unterstützt. Das nächste Zusammenkommen der Nationalmannschaft in Verbindung mit den beiden Duellen gegen Slowenien um die EM-Qualifikation wird bereits eine sehr wichtige Herausforderung.“

Herr Prokop, vielen Dank für das ausführliche Gespräch. 


Foto: Max Sander


Autor: Max Sander

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