"Der Aufstieg wäre für den HSC und die Region ein Riesending"

"Der Aufstieg wäre für den HSC und die Region ein Riesending"

Er ist einer der Jüngsten in der Trainergilde der Handball-Bundesliga: Jan Gorr. Doch mit seinen 37 Jahren kann er schon auf jede Menge Erfahrung im Profigeschäft zurückgreifen. Geboren in Gießen/Mittelhessen wurde er in dieser handballverrückten Region früh mit dem Handballvirus infiziert und sitzt nun schon seit über 20 Jahren auf der Trainerbank. Erfolge wie der deutsche B-Jugend-Meistertitel im Jahr 2002 empfahlen ihn schnell für höhere Aufgaben. Sein Bundesliga-Debüt gab er 2005 beim TV Hüttenberg in der 2. Liga, mit dem er sechs Jahre später den Sprung in die Belletage des deutschen Handballs schaffte. Für den hessischen Traditionsverein ging es ein Jahr später wieder in die Zweitklassigkeit.Jan Gorr bekam ein Vertragsangebot vom VfL Gummersbach. Trotz eines gültigen Arbeitspapieres trat er seinen Dienst im Oberbergischen aber nie an, weil ihm der als Interims-Trainer erfolgreiche Emil Kurtagic vorgezogen wurde. Stattdessen ging es im Sommer 2013 zum ambitionierten Drittligisten HSC 2000 Coburg, dem unter seiner Regie nur ein Jahr später prompt der Aufstieg gelang. Für den Verein aus Oberfranken, finanziell gut ausgestattet und mit erstligatauglicher Halle versehen, soll die 2. Bundesliga nur Zwischenstation sein. Die Chancen auf Erstliga-Handball in Coburg sind als Tabellendritter mit aktuell fünf Punkten Vorsprung auf die nachfolgende Konkurrenz gegeben. Für Trainer Jan Gorr und seine Mannschaft steht aber noch viel Arbeit auf der Agenda, um das große Ziel `Aufstieg´ im Juni 2016 feiern zu können.

 Hallo Jan, in einem Interview hat Markus Gauggisch mal gesagt: „Die 1. Bundesliga ist das Beste, was du erreichen kannst. Die Hallen, die vielen Zuschauer – wenn das Licht angeknipst wird, das elektrisiert dich.“ Was ist bei dir aus der Erstligasaison 2011/12 hängen geblieben?
Jan Gorr: „Ich muss meinem Trainerkollegen Recht geben. Ich erinnere mich an viele schöne Erlebnisse. Die großen Arenen, als meine Spieler ihre Namen auf den Videowürfel gesehen haben, das war ein Traum für meine Spieler und mich. Dass der TV Hüttenberg - ein Dorf-Handballverein, soll nicht abwertend klingen – den Sprung in die 1. Liga geschafft hat und es dort mit 17 Punkten fast zum Klassenerhalt gereicht hätte, war schon etwas ganz Besonders. Es geht aber nicht nur um einen Traum der sich erfüllt hat, sondern auch um harte Fakten, um in dieser Liga bestehen zu können. Bis auf eine Ausnahme wurden wir als kleiner Neuling nie von der Konkurrenz aus der Halle geschossen. Ansonsten hätte sich bei uns sicherlich viel Frust aufgebaut. War aber nicht der Fall. Nur beim Heimspiel gegen den THW Kiel, als es zur Pause 9:26 stand, hatten wir das Gefühl, von einem ICE überfahren worden zu sein. Trotz des Abstiegs haben wir mit unserer Art Handball zu spielen Erfolg gehabt. “

Wie siehst du aktuell die Leistungsstärke der 2. Liga – auch in Bezug zur 1. Bundesliga?
Jan Gorr: „Die Spitze ist nicht unbedingt stärker geworden, wenn ich an die Spitzenmannschaften früherer Jahre denke. Aber die Liga hat eine sehr starke Breite, die Leistungsdichte hat enorm zugenommen. Auch die aktuellen Aufsteiger sind vielfach stärker als in den Vorjahren. Dazu das Programm mit 40 Spielen ist unfassbar viel und fordert meiner Mannschaft eine enorme Anstrengung ab, um erfolgreich bestehen zu können.“

Mit dem HSC 2000 Coburg stehst du aktuell im Aufstiegsrennen gut da. Was zeichnet deine Mannschaft aus? Ist das Umfeld des HSC schon reif für den Sprung in Liga 1?
Jan Gorr: „Absolute Stärke ist unser Teamgedanke. Wir denken immer im Kollektiv, sind aber auch individuell sehr stark, um mit Adnan Harmandic nur einen zu nennen. Unser Kader hat eine gute Breite, damit konnten wir unser bisheriges Verletzungspech gut kompensieren. Da muss ich meiner Mannschaft ein Kompliment machen. In Coburg ist eine gewisse Euphorie zu spüren, mit den Zuschauerzahlen sind wir sehr zufrieden. Das erhöht natürlich die Erwartungshaltung an mein Team. Wenn es mit dem Aufstieg klappen sollte, wäre das für den Verein und die Region ein Riesending. Unsere Halle und weitere Rahmenbedingungen bilden eine gute Grundlage für den Aufstieg, der Etat müsste aber dementsprechend angepasst werden. Die 1. Bundesliga ist doch eine ganz andere Welt, so dass für den Verein noch mehrere Schritte zu machen sind. Die Verantwortlichen sind sich dessen aber bewusst. Ich werde nicht müde zu betonen, dass es für uns keine Selbstverständlichkeit ist, am Ende auf einem Aufstiegsplatz zu stehen. Uns erwarten noch viele hart umkämpfte Spiele, in denen Nuancen den Ausschlag geben werden.“

HSC-Geschäftsführer Wolfgang Heyder hat vor kurzem verlauten lassen, dass er Verein und Mannschaft schon in dieser Saison den Sprung ins Oberhaus zutraut. Um dort bestehen zu können, braucht es aber auf fast jeder Position Verstärkungen.
Jan Gorr: „Wie schon gesagt, unsere große Stärke ist, dass unser Kollektiv funktioniert. Meine Aufgabe sehe ich zu allererst darin, den bestehenden Kern der Mannschaft weiterzuentwickeln und die aktuellen Spieler besser zu machen. Und ich möchte dabei mit Spielern zusammenarbeiten, die sich mit unserer Sache hier identifizieren. Von daher wird es bei uns keinen Riesenumbruch geben. Aber es wird natürlich - wie in den Jahren zuvor - auch zukünftig punktuelle Veränderungen und Verstärkungen im Kader geben."

Stichwort Nationalmannschaft – Was traust du der Mannschaft von Dagur Sigurðsson bei der EM 2016 im Januar in Polen zu? Wie bewertest du die Arbeit des Isländers? Wie ist es für dich, nicht mehr zum Trainerstab des DHB zu gehören? 
Jan Gorr: „Entscheidend bei der EM wird sicherlich sein, wie die Mannschaft ins Turnier kommt. Wenn die Vorrunde erfolgreich verläuft und sich entsprechendes Selbstvertrauen aufbaut, ist vieles möglich. Wir haben in Deutschland eine unglaublich große Breite an guten Spielern, zudem viele erfolgversprechende Talente. In den nächsten Jahren wird es darum gehen, diese Jungs international reifen zu lassen. Aktuell haben wir mit Uwe Gensheimer, Steffen Weinhold und Patrick Groetzki drei Spieler von Weltklasseformat. Der deutsche Handball muss es aber hinbekommen, 8 bis 10 Spieler auf solch ein Level zu bringen. Die Arbeit von Dagur Sigurðsson kann ich im Detail natürlich nicht beurteilen. Von außen scheint es, dass er einen guten Zugang zur Mannschaft gefunden hat. Daher bin ich optimistisch, dass die positive Entwicklung, die unter Martin Heuberger begonnen hat, mittelfristig Früchte trägt.Klar, auf der einen Seite ist es schade, nicht mehr als Co-Trainer den Bundestrainer in seiner Arbeit unterstützen zu können. Es war super, mit den besten Handballern Deutschlands arbeiten zu dürfen. Was da an Qualität abgerufen wird, freut einen als Trainer. Für mich bleibt aber auch hängen, dass die Spieler trotz ihrer Karrieren alle mit den Füßen auf den Boden geblieben sind. Auf der anderen Seite bin ich ehrlich gesagt auch ein wenig froh, nicht mehr die Doppelbelastung zu haben, da meine Arbeit in Coburg doch sehr umfangreich ist und somit wenig Zeit für weitere Aufgaben bleibt. Das merke ich schon alleine daran, dass ich in den letzten Monaten nicht zu meinem Hobby, dem Angeln, gekommen bin. Etwas ganz anderes als Handball, beim dem ich sehr gut ausspannen kann.“ 

Jan, vielen Dank für das Interview und viel Erfolg im weiteren Verlauf der Bundesligasaison.


Foto: Markus Bloß


Autor: Max Sander

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