"Einsatz und Willensstärke werden mit Spielzeit gewürdigt"

"Einsatz und Willensstärke werden mit Spielzeit gewürdigt"

Er ist eines der Aushängeschilder der HSG Wetzlar und hat eindrucksvoll bewiesen, wie schnell die Entwicklung von einem talentierten Handballspieler hin zum festen Bestandteil der Nationalmannschaft gehen kann: Jannik Kohlbacher. Der Kreisläufer hat sich trotz seines jungen Alters in der Handballwelt bereits einen Namen gemacht. Höhepunkt seiner bisherigen Karriere war im vergangenen Jahr der Triumph bei der Europameisterschaft in Polen. Im Interview spricht der 21-jährige über die `Talentschmiede´ HSG Wetzlar, die Rolle seines Trainers Kai Wandschneider in der Entwicklung junger Spieler und seine Einsatzzeiten in der Nationalmannschaft.

Hallo Jannik, du bist nach drei Spielzeiten in der 2. Liga im Jahr 2015 zur HSG Wetzlar gewechselt. Wie war für dich die Umstellung von der 2. auf die 1. Bundesliga?
Jannik Kohlbacher: „Trainer Kai Wandschneider hat mir von Anfang an großes Vertrauen entgegengebracht, mich als Jugendspieler stark gefördert und mir viel Spielzeit gegeben. Bei Kai bekommt man immer eine Chance, wenn man sich reinhaut und Leistung bringt. Das habe ich getan und bin bei der HSG schnell Stammspieler geworden.“

Ehemalige Mannschaftskollegen wie Steffen Fäth oder Andreas Wollf, die sich während ihrer Wetzlarer Zeit zu Nationalspielern entwickeln konnten, sind von dort zu großen, international spielenden Vereinen gewechselt. Dient die HSG Wetzlar als eine Art Übergangsstation auf dem Weg hin zu einem großen Top-Club?
Jannik Kohlbacher: „Es kommt immer auf das Ziel an, das man für sich als Spieler definiert. Ob es einem reicht, Bundesliga zu spielen oder den Anspruch hat, in der Champions League dabei zu sein. Bei der HSG Wetzlar hat die Teilnahme am internationalen Wettbewerb nicht oberste Priorität. Vor der Saison wurden die Ziele bislang dahingehend definiert, nichts mit dem Abstiegskampf zu tun zu haben. Am Ende stand dann meistens eine Platzierung im oberen Mittelfeld. Steffen Fäth und Andi Wolff haben in Wetzlar extrem viel Spielzeit bekommen, konnten sich Woche für Woche in der Bundesliga beweisen – so wie ich es gerade erlebe. Diese Spielpraxis im Verein fördert sicherlich die sportliche Entwicklung und hat sich auch in der Nationalmannschaft als vorteilhaft erwiesen.“

Was bietet die `Talentschmiede´ HSG Wetzlar jungen Spielern an Vorzügen, die andere Vereine so nicht bieten können?
Jannik Kohlbacher: „In Wetzlar ist es egal, ob du 35 oder 20 Jahre alt bist, keiner hat in diesem Verein durch ein höheres Alter einen Vorteil. Einsatz und Willensstärke werden vom Trainer immer mit Spielzeit gewürdigt. Junge Spieler bekommen hier die große Chance auf Bundesliga geboten, wenn man sich richtig reinhaut. Kai Wandschneider erkennt die Entwicklungspotentiale von jungen Spielern und kann so deren sportliche Entwicklung voranbringen.“

Also spielt Kai Wandschneider die entscheidende Rolle, dass junge Spieler den Sprung in die 1. Bundesliga schaffen?
Jannik Kohlbacher: „Er ist ganz klar der Kopf der Mannschaft. Ich glaube, wenn Kai Wandschneider vor der Wahl steht, einen talentierten zwanzigjährigen Spieler oder einen gestandenen 35-jährigen zu verpflichten, wird er immer dem Jüngeren den Vorzug geben. Es macht ihm einfach Spaß, mit jungen Talenten zu arbeiten und deren Fortschritte Woche für Woche zu sehen.“

Spieler wie Christian Dissinger oder Hendrik Pekeler treten aufgrund der hohen Belastungen, der sich Handballprofis heute stellen müssen, in der Nationalmannschaft kürzer. Wie gehst du mit diesen Belastungen um?
Jannik Kohlbacher: „Jeder Spieler muss für sich selber abwägen, ob die Belastungen für die eigene Gesundheit zu hoch sind oder nicht. Hendrik Pekeler und Christian Dissinger hatten bereits früh in ihrer Karriere mit Verletzungen zu kämpfen. Da ist es logisch, dass man auch mal den Wunsch hat kürzer zu treten, um in den nächsten Jahren noch Handball auf Top-Niveau spielen zu können. Für mich persönlich sind die Belastungen im normalen Bundesliga-Alltag momentan aber nicht zu hoch.“

In der Nationalmannschaft bist du bei den vergangenen Turnieren oft zum Einsatz gekommen, wenn die deutsche Mannschaft in Unterzahl spielen musste. Welcher Grund war dafür ausschlaggebend?
Jannik Kohlbacher: „Bei der WM in Frankreich war es nicht mehr so häufig der Fall wie ein Jahr zuvor bei der Europameisterschaft in Polen, wo ich fast ausschließlich nur in Unterzahlsituationen eingesetzt wurde. Den Grund dafür kann ich gar nicht so genau benennen. Ich vermute aber, dass Dagur Sigurðssondort meine Stärken im eins-gegen-eins ausspielen wollte. Wenn ich - mit dem Rücken zum Gegenspieler - den Ball bekomme, dann bin ich nur schwer zu halten.“

Stefan Kretzschmar hat dich Ende des vergangenen Jahres als den momentan besten deutschen Kreisläufer bezeichnet.
Jannik Kohlbacher: „Wenn jemand wie Stefan Kretzschmar, der viel Erfahrung hat und die Handballszene gut kennt, so etwas über einen sagt, ehrt einen das natürlich. Ob die Aussage zutrifft, sollen andere beurteilen. Ich arbeite jeden Tag hart an mir, um besser zu werden. Ob es zum besten deutschen Kreisläufer oder nur zu einem guten Bundesligaspieler reicht, wird die Zukunft zeigen.“

Jannik, vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg in deiner Karriere.


Foto: HSG Wetzlar



Autor: Hannes Niemeyer

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