Juli 2018

Heiner Brand: „Kleine Vereine müssen die Region mit ins Boot holen“

Heiner Brand: „Kleine Vereine müssen die Region mit ins Boot holen“

Er gilt als das Gesicht des Deutschen Handballs: Heiner Brand. Jeder, wirklich jeder kennt ihn. Seine sportliche Vita ist beeindruckend. Er hat in seiner Spielerkarriere mit der deutschen Nationalmannschaft im Jahr 1978 den Weltmeistertitel errungen, zudem mit dem VfL Gummersbach etliche Deutsche Meisterschaften und DHB-Pokalsiege sowie Europapokalsiege ins Bergische Land geholt. Nach seiner aktiven Zeit wagte der 61-Jährige mit dem markanten Schnauzbart Mitte der 80er Jahre den Sprung an die Seitenlinie, als Trainer kann er fast ebenso viele Erfolge vorweisen wie als Aktiver. Herausragend sicherlich der Weltmeistertitel 2007, der in der deutschen Sporthistorie gerne als Wintermärchen tituliert wird. Vor zwei Jahren hat sich der Gummersbacher von der Trainerbank verabschiedet, übt seitdem den Job des DHB-Direktors aus. In seiner Funktion wird er nicht müde, aktuelle Entwicklungen im deutschen Handball zu hinterfragen und Lobbyarbeit für eine nachhaltige Jugend- und Talentförderung zu betreiben. Für uns fand er vor seiner Reise zur U19-WM nach Ungarn Zeit, seine Sicht der Dinge auf die kommende Spielzeit in der DKB-Handball-Bundesliga wiederzugeben. 

Hallo Herr Brand, in Ihrer Funktion als DHB-Direktor gelten Sie seit Jahren als Mahner des Deutschen Handballs und brandmarken immer wieder die DKB-Handball-Bundesliga und deren Vereine in Bezug auf die Nachwuchsförderung. Wie sehen Sie aktuell die Entwicklung?
Heiner Brand: „Schon als Bundestrainer habe ich vor 15 Jahren darauf hingewiesen, dass wir den Nachwuchs unterstützen und individuell fördern müssen. Zudem brauchen unsere Talente, die zweifelsohne vorhanden sind, Einsatzzeiten in der 1. und 2. Liga. Das findet leider nicht in dem von mir gewünschtem Maße statt. Es gibt gute Beispiele für Jugendarbeit: GWD Minden, SC Magdeburg, VfL Gummersbach, Füchse Berlin und einige andere. Was mir aber fehlt, ist eine gezielte Anschlussförderung nach der Jugendarbeit. Die jungen Talente schaffen nicht im ausreichenden Umfang den Sprung in die Kader der Bundesligavereine, um sich in den folgenden Jahren zu Leistungsträgern zu entwickeln.“ 

In einem Interview im aktuellen Handball-Magazin (08/13) äußert sich Frank Rost, geschasster Geschäftsführer des HSV Hamburg, kritisch in Bezug auf eine Quotenregelung für deutsche Nachwuchstalente in Bundesligavereinen. Wie sehen Sie das Thema Quotenregelung?
Heiner Brand: „Zuerst einmal bleibt festzuhalten, dass Herr Rost nicht mehr Geschäftsführer beim HSV Handball ist. Es ist ein Phänomen im Handball heutiger Tage, das sich häufiger Leute ohne entsprechendes Fachwissen zu Wort melden, die nicht so nah am Thema dran sind. Frank Rost sollte sich erst in die Materie Handball einarbeiten, aktuell hat er sicher mehr Ahnung vom Fußball. Da zähle ich dann eher auf die Meinung von Christian Schwarzer oder Markus Baur, die sich schon viele Jahre Handballwissen aneignen konnten. Ich bin seit 40 Jahren im Geschäft und die Quotenregelung ist ja schon länger ein Thema. Ich sehe sie als Notsystem, weil sich in der Bundesliga in Sachen Nachwuchsförderung zu wenig bewegt. Ein Blick in andere Länder und andere Sportarten zeigt, dass die Quotenregelung durchaus praktikabel ist. Der spanische Basketball arbeitet mit einer Quote, in den vergangenen Jahren konnte deren Nationalmannschaft bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen sogar den USA Paroli bieten. Und auch die Entwicklung im deutschen Eishockey zeigt, dass diese Maßnahme zur Förderung des Nachwuchses Vorteile birgt. Leider hat sich die HBL bislang geweigert, das Thema Quotenregelung anzugehen.“ 

Der TV Emsdetten ist im Juni diesen Jahres in die 1. Bundesliga aufgestiegen. In der Sommerpause hat der Verein sechs Neuverpflichtungen vorgenommen, allesamt ausländische Spieler. Aktuell stehen im Kader Spieler und Trainer aus 14 verschiedenen Nationen. Eine Entwicklung, die sicher nicht in Ihrem Sinne ist, oder?
Heiner Brand: „Das kann man so sagen. Ich sehe schon den Druck, den ein Aufsteiger hat, um den Klassenerhalt in der HBL zu schaffen und habe somit ein gewisses Verständnis für die Kaderpolitik. Aber das ist nicht der Weg, der auf Dauer zum Erfolg führt.“ 

In der vergangenen Saison hat sich Lothar Weber, Geschäftsführer des TV Hüttenberg, in einem Interview über die Arroganz einiger Retortenvereine wie den HSV oder die Rhein-Neckar-Löwen geärgert, die sich gegenüber den kleinen Vereinen der 1. Bundesliga nicht gut benommen hätten. Er sieht zudem die Gefahr, dass Bundesliga-Handball in kleineren Städten in Zukunft nicht mehr zu finanzieren ist? Wie sehen Sie als Gummersbacher die Entwicklung? Haben Aufsteiger wie Emsdetten oder Eisenach überhaupt eine zumindest mittelfristige Perspektive im Oberhaus?
Heiner Brand: „Es ist für die Aufsteiger deutlich schwieriger geworden, sich zu etablieren. Wo mehr Geld im Spiel ist, haben die kleinen Vereine natürlich deutliche Nachteile. Die Politik in der HBL wird aktuell von den großen Vereinen bestimmt. Clubs wie der TVE müssen es schaffen, die Region mit ins Boot zu holen. Wobei natürlich entscheidend ist, welche Wirtschaftskraft dort vorherrscht. Eine neue Halle wie bei uns in Gummersbach ist dabei ein ganz wichtiger Baustein. In der neuen Schwalbe-Arena können jetzt über 4.000 Zuschauer untergebracht werden. Vorher waren es nur 2.000 Fans in der alten Eugen-Haas-Halle. Entscheidend ist heute, die Bundesligaspiele vernünftig durchzuführen. Die Zuschauer wollen heute ein Event erleben, ein Verein braucht dafür die nötige Infrastruktur und moderne Technik. Auch Sponsorenräume und ViP-Logen gehören dazu. Wirtschaftsunternehmen stellen da heute gewisse Anforderungen beim Sponsoring.“

Herr Brand, vielen Dank für das Gespräch.


Foto: Detlev Hebel Marketing


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