In Sachen Bewegtbild führend in Handball-Deutschland

Aus Fehlern und Erfahrungen lernen, um es anschließend besser zu machen. Dass hat sich der ASV Hamm-Westfalen nach dem einjährigen Erstliga-Abenteuer in der Saison 2010/11 auf die Fahnen geschrieben, um mittelfristig gut vorbereitet erneut den Sprung ins Oberhaus zu schaffen. Viel wurde in das strukturelle Umfeld des Vereins investiert, die Kommunikation nach außen schon jetzt erstligareif. Verantwortlich dafür Simon Kottmann.  

Hallo Simon, seit 2007 bist du für den ASV Hamm-Westfalen in der Handball-Bundesliga für den Bereich Kommunikation verantwortlich. Du hast mir gegenüber mal geäußert: „Wir haben aus unserem Jahr in der 1. Bundesliga viel an Know-how mitnehmen können und sind dadurch im gesamten Umfeld viel professioneller geworden.“ Wenn du mal in den `Rückspiegel´ schaust: Was ist in den letzten Jahren beim ASV in Sachen Kommunikation so alles aufgebaut worden? 
Simon Kottmann: „Die vergangenen zehn Jahre waren insgesamt betrachtet für mich eine sehr spannende Zeit und diese begleiten und gestalten zu dürfen, hat mir große Freude bereitet. Kurze Vorgeschichte: In den Jahren 2005 und 2006 habe ich im Rahmen meiner journalistischen Ausbildung als Volontär beim Soester Anzeiger und Westfälischen Anzeiger gearbeitet und bin über diese Arbeit mit dem ASV Hamm in Kontakt gekommen. Ein Jahr später – ich hatte mich gerade mit meiner Agentur selbstständig gemacht – sind Franz Dressel und Kay Rothenpieler auf mich zugekommen, ob ich mir vorstellen könnte, beim ASV einzusteigen. Die beiden wollten im Verein einen Umbruch Richtung zunehmender Professionalisierung einleiten und waren bereit, ins Umfeld zu investieren. Ohne dabei gleich das Ehrenamt komplett abzuschaffen. Vielmehr habe ich begonnen, in Zusammenarbeit mit dem damaligen ehrenamtlichen Pressesprecher einige Dinge neu auf den Weg zu bringen. Erste große Herausforderung: Das Pokal-Heimspiel gegen den THW Kiel. Unsere Arena existierte damals noch nicht, so dass das Spiel vor 3.500 Zuschauern in der Halle Berg Fidel in Münster ausgetragen wurde. Von da an gab es in der ASV-Kommunikation eine kontinuierliche Entwicklung. In den ersten Jahren standen die Betreuung unserer Homepage und klassische Pressearbeit mit Texten und Fotos auf unserer Agenda. Nach und nach kamen der Bereich Social Media – zu Beginn gab es noch Studi-VZ, später dann Facebook – hinzu. Dieser Bereich hat stetig an Bedeutung zugenommen, aktuell haben wir über 10.000 Follower. Inzwischen beschäftigen sich gleich mehrere Mitarbeiter in unserer Geschäftsstelle unter Federführung von Max Doller mit Facebook, YouTube und Instagram. So dass ich einen meiner Arbeitsschwerpunkte auf den Bereich Kampagnen legen konnte. Auch im Bereich der klassischen Medien haben wir uns weiterentwickelt. Aus dem Hallenheft ist mittlerweile ein 24-seitiges Fanmagazin geworden, das einige Tage vor jedem Heimspiel an über 30 Auslagestellen in der Region und am Spieltag kostenlos verteilt wird. Bis heute läuft unser Projekt 2-5-1, mit dem wir drei Jahre nach unserem Erstligaabstieg und der damit verbundenen wirtschaftlichen Schieflage erstmalig nach außen wieder Aufbruchstimmung kommuniziert haben. Dieses Projekt dokumentiert auch: Wir haben aus dem einen Jahr 1. Bundesliga gelernt und ein neuerlicher Aufstieg muss gut vorbereitet sein. Aktuell stehen wir in der vierten Spielzeit unseres Fünf-Jahres-Plans sehr gut da. Sportlich läuft es, mit Blick auf die schon getätigten Neuverpflichtungen werden wir zur neuen Saison wohl zum engeren Favoritenkreis in der 2. Bundesliga gehören. Parallel dazu läuft unsere Imagekampagne Volle Wucht westfälisch, die auch auf unseren Erstligaerfahrungen aufbaut. Die Begeisterung für Handball ist in der Stadt Hamm vorhanden, wir sind das sportliche Aushängeschild der Stadt. Um aber im Bereich Zuschauerzahlen und Sponsoring-Potential auf Erstliganiveau agieren zu können, müssen wir die Region noch stärker mit ins Boot holen. Westfalen steckt voller Handballtradition, und Hamm liegt geografisch im Herzen dieser Region. Seit Sommer 2016 läuft unsere Kampagne – parallel zur HBL-Kampagne, die sich in vielen Attributen ähnelt.  Anhand unserer Zuschauerstatistiken sehen wir, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden. Verstärkt finden Handballfans aus der Region den Weg zu uns in die Westpress Arena. Doch wir belassen es nicht alleine bei Maßnahmen auf der kommunikativen Ebene und wollen unsere Kampagne mit Leben füllen. Wir haben mit der SG Sendenhorst, dem Werler TV, dem TV Beckum und dem TV Brechten vier Partnervereine gewonnen, die in vielfältiger Weise von einer Kooperation mit dem ASV profitieren. In der Vorbereitungszeit spielen wir in deren Hallen. Die Vereine haben ein Event und die Eintrittsgelder, wir den Imagegewinn. Darüber hinaus bieten wir ihnen Handballaktionstage und Trainerschulungen an. Wir zeigen dort all das, was wir können. Und dass auch in etlichen Schulen auf Hammer Stadtgebiet. Unsere Trainer und Spieler gehen in den Sportunterricht und unterstützen die Lehrer mit ihrem Know-how. Zudem stehen dort von uns durchgeführte Handball-AGs auf dem Plan.“ 

Du bist Eigentümer der Agentur simpli PR und somit Experte für Öffentlichkeitsarbeit. Wie wichtig ist eine gute Kommunikation für einen Handball-Bundesligaverein?
Simon Kottmann (schmunzelt): „Ich wäre natürlich fehl am Platze, wenn ich jetzt sagen würde, dass diesem Bereich im Verein nur wenig Bedeutung beigemessen werden sollte. In der Hauptsache geht es natürlich um das `Produkt Handball´ oder besser gesagt eine Marke, die ein Verein entwickeln muss. Hierbei hat die Kommunikation selbstverständlich eine sehr hohe Bedeutung. Bei vielen Vereinen in der 2. Bundesliga sehe ich auf diesem Gebiet noch großen Entwicklungsbedarf. Ich kann natürlich den Kostendruck verstehen, den viele Clubs spüren. Auch ich muss beim ASV mit meinem Budget gut haushalten. Aber gut gemacht rechnen sich Investitionen in den Bereich Kommunikation immer.“

Vor drei Wochen hat HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann in einem Interview mit Handball Backstage u.a. geäußert: „Viele Clubs in der 2. Bundesliga produzieren und übertragen professionell und mit beachtlichem Erfolg ihre Spiele.“ Damit hat er wohl augenscheinlich auch das Bewegtbild-Projekt des ASV Hamm-Westfalen gemeint. Hat sich die HBL schon einmal über euer Projekt informiert?
Simon Kottmann: „Ich weiß, dass die HBL unsere Live-Übertragungen und deren Entwicklung verfolgt. Mit Oliver Lücke (Leiter Unternehmenskommunikation bei der HBL/Anm. d. Red.) stehe ich in engem Austausch. Und von Sky, denen ja die Senderechte der 1. als auch der 2. Bundesliga gehören, weiß ich, dass sie unser Bewegtbild-Projekt ebenfalls beobachten. Das Ganze ist vor etwa zwei Jahren aus einer Überlegung heraus entstanden: Da wir von der HBL in jeder Saison verpflichtet sind, unsere Heimspiele zu filmen und anschließend zuzusenden, warum machen wir für unseren Verein nicht mehr daraus. Der Zufall wollte es, dass die Firma Oz.com aus Island mit einer neuen Idee im Bereich Livesport im Internet auf dem deutschen Markt Fuß fassen wollte und daraufhin die HBL, die damals noch in Dortmund saß, kontaktiert hat. Über den Kontakt Frank Bohmann war der Weg zu uns nicht weit. Die Isländer haben uns zu Beginn mit der nötigen Technik und einer neuen Software ausgestattet. Damals haben wir viel lernen können – auch, dass eine Bezahlschranke für Live-Spiele im Internet zumindest in der 2. Handball-Bundesliga noch nicht funktioniert. Du musst die Hürde niedrig halten, damit möglichst viele Fans zum Anklicken animiert werden. Deshalb schalten wir in unseren Videos auch vor Spielbeginn keine Werbung. Aus diesen Erfahrungen sind unsere kostenfreien Übertragungen zunächst auf Facebook, seit Mitte vergangener Saison auf Youtube entstanden. Auf dem Video-Portal läuft es insgesamt technisch besser, durch die Smart-TV-App können sich die Zuschauer zudem unsere Spiele in HD-Qualität auf den Fernseher ins heimische Wohnzimmer holen. Mit den Zugriffszahlen sind wir sehr zufrieden. Aktuell haben wir auf Youtube fast 700 Abonnenten, zwischen 3.000 und 4.500 Geräte rufen pro Spiel unser Live-Video ab. Dieses wird im Schnitt 20 Minuten angeschaut. Das sind sehr gute Zahlen. Die Qualität unserer Arbeit spricht sich herum, wir haben Stammzuschauer von Flensburg bis zur Schwäbischen Alb. Der nächste Schritt wird die Vermarktung sein. Aktuell haben wir fünf Anzeigenpartner, die uns die Kostendeckung ermöglichen. Aber auch die Werbepartner etwa auf der LED-Bande in unserer Arena profitieren aufgrund der höheren Reichweite.  Da so ein Projekt sehr zeit- und personalintensiv ist, bin ich froh, mit der Sporthochschule Köln und TV Splash zwei Partner mit im Boot zu haben. Durch meinen Lehrauftrag an der SpoHo gelingt es, Sportstudenten aus meinem Seminar mit ins Projekt einzubinden. Sie haben die Chance, erste berufliche Erfahrungen zu sammeln und können sich bei uns vor und hinter der Kamera ausprobieren. Und dass TVsplash um Stefan Möller während der Übertragungen sowohl ihr technisches Equipment als auch ihr technisches Know-how zur Verfügung stellen, ist für den ASV ein Glücksfall. Mit wie viel Leidenschaft – weitgehend ehrenamtlich – die Studenten und Azubis bei der Sache sind, beeindruckt mich jedes Mal von neuem wieder. So haben sie beispielsweise zur Erfassung der Spieldaten eine eigene Software entwickelt, über die wir gleichzeitig Werbemittel in der Arena ansteuern. Daran haben bereits andere Vereine Interesse bekundet.“

Am Samstag reist der ASV Hamm-Westfalen zum Spitzenspiel nach Bietigheim, um im Kampf um Platz 2 wieder Boden gut zu machen. Euer Filmteam wird ebenfalls vor Ort sein.
Simon Kottmann: „Für eine Live-Übertragung eines ASV-Auswärtsspiels wurde noch nie so ein Aufwand betrieben wie er kommenden Samstag stattfinden wird. Wir werden in der Egetrans Arena  technisch und personell sehr gut ausgestattet sein. Besonderes Highlight für unsere Video-Zuschauer: Wir konnten als Co-Kommentator mit Kevin Gerwin den Hallensprecher der Rhein-Neckar Löwen gewinnen.“

Frank Bohmann hat anklingen lassen, er sei sehr zuversichtlich, dass die 2. Bundesliga durch den Vertrag mit Sky bereits in naher Zukunft noch einmal deutlich mehr Medienpräsenz haben wird. Glaubt man den Gerüchten in der Handballszene, steht Sportdeutschland TV vor einem Einstieg in die 2. Liga. Wie siehst du dieses mögliche Szenario aus ASV-Sicht?
Simon Kottmann: „Ich stehe in direktem Austausch mit Sky und weiß daher, dass der Sender auf Dauer die 2. Bundesliga stärker in den Fokus nehmen möchte. Ohne Sky geht da nichts, denn der Sender ist Rechteinhaber. Mein Stand ist, dass es Verhandlungen zwischen Sportdeutschland TV und Sky gibt. Wenn der Online-Sportsender das Rechtepaket übernimmt, wird es wohl nicht so sein, dass sie Übertragungsteams in die Zweitliga-Hallen schicken werden. Vielmehr werden die Vereine jeweils ein Filmteam vor Ort haben, die mit technischem Support von Sportdeutschland TV die Übertragung gewährleisten. Für den ASV wäre es auf den ersten Blick momentan ein kleiner Rückschritt, da der Sender aktuell keine Smart-TV-App bietet. Des weiterem müssen unsere Fans sich zukünftig nach jedem Klick auf´s Video zuerst zwei Werbespots anschauen. Mit Blick auf die Weiterentwicklung der 2. Bundesliga wäre ein Engagement von Sportdeutschland TV aber ein Fortschritt – denn so könnte der Einstieg in das Live-TV für viele Clubs erleichtert werden. Außerdem wäre eine klare Regelung für die nächsten Jahre ein wichtiges Signal für andere Vereine, hier investieren zu können. Je mehr Inhalte von den Spielen zu finden sind – und das dann zentral an einer Stelle – umso besser für die Fans und den Handball insgesamt. Wir beim ASV werden künftig sicher noch neue Möglichkeiten entwickeln, um unsere Fans mit dem Medium Film auf dem Laufenden zu halten. Sollte der Erstligaaufstieg in den nächsten Jahren gelingen, müssen wir ja ohnehin neue Formate finden.“
     
Simon, vielen Dank für das Interview.   


Fotos: Max Sander -  Moritz Kaufmann/ASV 


Autor: Max Sander

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