"Sich als Spieler in der 1. Bundesliga durchzusetzen, braucht es Talent und starken Willen"

Am vergangenen Sonntag waren sie im Westfalen-Derby noch Kontrahenten: Joscha Ritterbach vom ASV Hamm-Westfalen undOddur Grétarsson vom TV Emsdetten. Doch in ihrer noch jungen Karriere finden sich auch viele Gemeinsamkeiten: Beide spielen auf Linksaußen, konnten in der Spielzeit 2013/14 jeweils schon Erfahrungen in der 1. Bundesliga sammeln und agieren aktuell in ihrer dritten Spielzeit in der 2. Bundesliga. Um im Sommer den erneuten Sprung in die “stärkste Handballliga der Welt“ anzugehen.

Hallo Joscha, hallo Oddur, Niels Pfannenschmidt, ehemaliger Trainer des ASV Hamm-Westfalen, hat mir gegenüber in einem Interview vor einigen Monaten mal geäußert: „Die 2. Bundesliga gehört zu den Top Five der Handballligen Europas.“ Was macht für euch den Reiz aus, in dieser Liga zu spielen?
Joscha Ritterbach: „Zum einen macht es mir viel Spaß, in der 2. Bundesliga zu spielen. Im Vergleich zur 3. Liga und zur A-Jugend-Bundeliga sind die Hallen dort zumeist gut gefüllt und es geht körperlich deutlich mehr zur Sache. Die Spiele dort sind alles keine Selbstläufer, da auch Aufsteiger - wie zum Beispiel Konstanz - einen technisch guten und schnellen Handball spielen können. Du triffst in dieser Liga auf viele Spieler mit Erstligaerfahrung. Daran kannst du als junger Spieler wachsen. `Pfanne´ hat Recht mit seiner Aussage, dass die 2. Bundesliga mit zu den stärksten Ligen Europas gehört. Für mich war es ein guter Schritt, damals vom TBV Lemgo zum ASV zu gehen. Diese nun fast drei Jahre in Hamm waren superwichtig in meiner Entwicklung, da ich in allen Bereichen eine `Schüppe drauf legen´ konnte. Für mich war die 2. Liga definitiv ein Sprungbrett. Mein Ziel war es schon immer, einmal in der 1. Bundesliga zu spielen - auch wenn einige während meiner Jugendzeit gedacht haben: Der spinnt doch. Nach und nach habe ich die verschiedenen Auswahlmannschaften durchlaufen, habe es dann in meiner Lemgoer Zeit bis in die Jugend-Nationalmannschaft geschafft. Da hatte ich das Gefühl, dass da was gehen kann. Zudem hatte ich das Glück, zur richtigen Zeit die passenden Menschen getroffen zu haben. So wie Niels Pfannenschmidt, der mich in Lemgo und Hamm enorm nach vorne gebracht hat.“
Oddur Grétarsson: „Ich kann dem Ex-ASV-Trainer nur zustimmen, dass die 2. Bundesliga eine starke Liga ist. Ich bin 2013 nach Emsdetten gekommen, um in der 1. Bundesliga zu spielen. Nach nur einem Jahr folgte der Abstieg. Was die 2. Bundesliga so interessant macht, ist die Tatsache, dass es sehr eng zugeht und fast alle Mannschaften auf Augenhöhe agieren. Du kannst dir nicht erlauben, auch nur ein Spiel etwas lockerer anzugehen. Bevor ich nach Deutschland kam, kannte ich nur die 1. Isländische Liga. Im Gegensatz dazu geht es in der 2. Bundesliga viel körperbetonter zur Sache. Die Torhüter sind häufig besser, in vielen Mannschaften gibt es auch international erfahrene Spieler. Ich war 23, als ich den Sprung in die Bundesliga gewagt habe. Der Zeitpunkt war richtig, auch wenn ich mit dem TVE abgestiegen bin. Denn für junge Spieler ist die 2. Liga gut, um viele Spielanteile zu bekommen und somit viel Erfahrung zu sammeln. Es war in den vergangenen Jahren nicht immer einfach für mich, da gilt es auch mental stark zu sein, um sich durchzusetzen.“

Ihr habt beide schon in der 1. Bundesliga gespielt, jetzt in der dritten Spielzeit in der 2. Bundesliga. Wo seht ihr die größten Unterschiede zwischen 1. und 2. Liga? Was braucht es, um sich in der 1. Bundesliga zu etablieren?
Joscha Ritterbach: „Ich finde, dass GWD Minden ein gutes Beispiel ist, wie es gehen kann. Jahrelang hieß es `Fahrstuhlmannschaft´. Inzwischen konnte sich GWD in der 1. Bundesliga wieder etablieren und spielt eine gute Saison. Ich kenne die Mannschaft ja noch aus Zweitligazeiten und finde, dass sie sowohl körperlich als auch im taktischen Bereich gut zugelegt hat, zudem viel disziplinierter spielt. Gerade auf der körperlichen Ebene sind zwischen den Mannschaften der 1. und 2. Bundesliga doch enorme Unterschiede zu erkennen.“ 
Oddur Grétarsson: „Insgesamt steckt in der 1. Bundesliga doch deutlich mehr Qualität. Dort hat jede Mannschaft auf jeder Position zwei gute Spieler zu bieten - viele Weltklassespieler, vor allem auf der Torhüterposition. Der Erstligahandball wird mit mehr Kraft und Tempo gespielt. Dazu die großen Hallen mit den vielen Zuschauern - es macht schon Spaß, dort zu spielen. Aber die Top-Mannschaften der 2. Bundesliga befinden sich auf Augenhöhe mit den Erstligamannschaften aus der unteren Tabellenhälfte. Das beste Beispiel ist der TuS N-Lübbecke. Um sich als Spieler in der 1. Bundesliga durchzusetzen, braucht es neben Talent auch einen starken Willen, es unbedingt schaffen zu wollen.“

Im Sommer werdet ihr in die 1. Bundesliga zu Frisch Auf! Göppingen bzw. zur HBW Balingen-Weilstetten gehen. Wie kam der Wechsel zustande? Mit welchen Erwartungen geht es Richtung 1. Liga?
Joscha Ritterbach: „Göppingen kam auf mich zu, nachdem sie mich mehrfach beobachtet hatten. Wir haben uns getroffen, es hat gepasst, so kam der Vertrag zustande. Ich habe mir bislang aber wenig Gedanken gemacht, wie es ab Sommer in der 1. Bundesliga sein wird. Denn aktuell liegt mein Fokus voll auf dem ASV mit dem Ziel, die 2. Bundesliga zu halten. Aber klar ist, dass ich mich nach der Sommerpause bei Frisch Auf! gut in die Mannschaft integrieren möchte. Mein Ziel ist es, so viel Spielanteile wie möglich zu bekommen, um mich bei meinem neuen Verein beweisen zu können. Ich weiß natürlich, dass Marcel Schiller auf Linksaußen gesetzt ist. In gewisser Weise ist er ein Vorbild für mich, da er sich vor einigen Jahren als junger Spieler gegen Dragos Oprea durchgesetzt hat, als es darum ging, wer zur Stammsieben zählt. Marcel Schiller hat gezeigt, dass es möglich ist, als Talent den Sprung aus der 2. in die 1. Bundesliga zu schaffen und sich dort zu etablieren.“ 
Oddur Grétarsson: „Für fast alle isländischen Handballspieler ist es ein Traum, als Profi einmal in der 1. Bundesliga zu spielen. Die Isländer kennen sich gut im deutschen Handball aus, da etliche Bundesligaspiele dort im Fernsehen übertragen werden. Dank Alfreð Gíslason und Aron Pálmarsson gibt es auf meiner Insel viele Fans des THW Kiel. Mein Ziel ist es, wieder in der isländischen Nationalmannschaft zu spielen. Dazu muss ich mich weiter entwickeln und in der 1. Bundesliga spielen. Dort kann ich zeigen, dass ich gut genug bin, um für Island spielen zu dürfen. Zudem möchte ich meinem neuen Verein dabei helfen, dass auch in den nächsten Jahren in Balingen Erstligahandball stattfindet. Für mich ist es gut, dass Rúnar Sigtryggsson dann mein Trainer sein wird. Ich kenne seine Handballphilosophie, da er schon zwei Jahre in meinem Heimatverein in Akureyri mein Trainer war.“

Blick in die Zukunft: Nach eurer aktiven Karriere im Handball wird es kaum möglich sein, anschließend davon leben zu können. Was macht ihr in Sachen Ausbildung, um für die Zeit nach dem Handball gerüstet zu sein?
Joscha Ritterbach: „Ich werde im August bei einem Partner von FrischAuf! Göppingen eine Ausbildung zum Vermögens- und Versicherungsberater machen. Das passt ganz gut, da ich meinen Schulabschluss auf dem Berufskolleg mit Schwerpunkt BWL gemacht habe. Die Ausbildung orientiert sich dabei an meinem Alltag als Handballer.“
Oddur Grétarsson: „Aktuell bin ich an der Universität Akureyri im Studiengang Fisheries Business eingeschrieben. Die Fischerei ist in Island ein großes Geschäft, die beiden größten Firmen des Landes sind in diesem Bereich tätig. Der Studiengang ist interessant und abwechslungsreich. Da ich ja seit einigen Jahren in Deutschland lebe, läuft das Ganze als Fernstudium. Wenn ich eine Prüfung habe, kann ich diese aktuell bei unserem Mannschaftsarzt Dr. Thomas Lukasiewicz in Emsdetten ablegen. Als Arzt gilt er für meine Uni als Vertrauensperson und ist für den Ablauf der Prüfungen verantwortlich. Er bekommt die Unterlagen, ich schreibe die Klausur, anschließend schickt er diese zurück nach Akureyri. Mein Ziel ist, das Studium in zwei Jahren beenden zu können.“   

Joscha und Oddur, vielen Dank für das Interview. Ich wünsche Euch viel Erfolg in den nächsten Wochen und beim Sprung in die 1. Bundesliga.


Fotos: Wegener/ASV - Dorn/TVE - Max Sander 


Autor: Max Sander

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