Anett Sattler - Mit Vorfreude und Wehmut in die neue Saison
Die Handball-Bundesliga steht in den Startlöchern. „The same
procedure as every year“, so könnte man meinen. Doch auf die Zuschauer in den
Hallen und vor dem Fernseher kommt viel Neues zu. Worauf sie in der neuen
Spielzeit aber verzichten müssen: Anett Sattler. Acht Jahre lang war sie neben
Stefan Kretzschmar das mediale Gesicht der 1. Handball-Bundesliga. Kompetent und
witzig brachte sie uns in vielen Interviews die Protagonisten unserer
Ballsportart auf Sport1 näher. Jetzt geht es ohne sie auf Sky weiter. Die
Berlinerin wird dem Handball aber auch in Zukunft eng verbunden bleiben.
Hallo Frau Sattler, in der kommenden Woche startet die
Handball-Bundesliga in ihre 52. Spielzeit. Wie viel Vorfreude bzw. Wehmut
schwingt bei Ihnen mit? Was macht für Sie den Reiz dieser Liga aus?
Anett Sattler: „Es
ist eine Mischung aus beidem. Auf der einen Seite freue ich mich als
Handballfan darauf, die neue Saison sowohl vor dem Fernseher als auch ab und zu
in der Halle live verfolgen zu können. Aber klar, es schwingt auch Wehmut mit,
denn die Arbeit für Sport1 in der Bundesliga hat mir immer sehr viel Freude
gemacht. Ich erwarte zur neuen Saison –
ähnlich wie mein Kollege Stefan Kretzschmar es prognostiziert hat – an der
Spitze einen Sechskampf. Der THW Kiel, die Rhein-Neckar-Löwen und die SG
Flensburg-Handewitt werden wie immer oben mit dabei sein, dazu die Füchse
Berlin, der SC Magdeburg und die MT Melsungen, die sich allesamt gut verstärkt
haben. Letztgenanntem traue ich in der neuen Spielzeit sehr viel zu, die hochkarätigen
Neuzugänge bei der MT sprechen für sich. Meisterschaftsfavorit ist für mich der
THW, der nach zwei Jahren des Umbaus wieder über eine eingespielte Mannschaft
verfügen dürfte und an dem die genannten Mannschaften erst einmal vorbei
müssen. Der Kampf um die Meisterschaft wird wieder eine sehr spannende
Angelegenheit werden. Das macht in meinen Augen auch den Reiz dieser Liga aus,
in der es immer wieder sportliche Überraschungen gibt. Nicht nur die Spitze,
auch in der Breite ist die Handball-Bundesliga sehr gut aufgestellt. Auch
kleinere Vereine können an einem guten Tag die Großen schlagen und somit ihren
Teil dazu beitragen, dass bis zuletzt Spannung in der Meisterschaft herrscht.
Dazu kommt die großartige Atmosphäre in sämtlichen Bundesligahallen, wobei auf
`meiner Liste´ Flensburg und Magdeburg stimmungsmäßig ganz oben stehen. Doch
nicht nur in den großen Arenen, auch bei den kleineren Clubs mit ihren zumeist
ausverkauften Hallen herrscht eine Super-Stimmung.“
Seit 2009 haben Sie für Sport1 die Handball-Bundesliga moderiert
und Interviews geführt. Was ist gedanklich hängen geblieben nach all den
Jahren? Welche Menschen haben Sie nachhaltig beeindruckt? Gab es persönliche
Highlights?
Anett Sattler: „Die
Handball-Bundesliga zeichnet das
gute Miteinander aller Beteiligten aus. Ich habe mich immer willkommen gefühlt.
Egal ob Spieler, Trainer oder Funktionäre,
die Zusammenarbeit mit allen Beteiligten war immer von Respekt und
Wertschätzung geprägt. Es gab das gemeinsame Bestreben, unsere Sportart medial
weiter voranzubringen. Nachhaltig beeindruckt hat mich beispielsweise Finn Lemke, den ich einmal für Sport1 mit der
Kamera bei seiner Arbeit mit Behinderten begleiten durfte. Finn ist
bodenständig, intelligent und hat insgesamt eine tolle Einstellung zum Leben.
Handball ist für ihn als sein Sport und Job ein wichtiger Lebensbereich,
zugleich sind ihm aber viele Dinge außerhalb der Halle wie die Arbeit mit
behinderten Menschen ebenso ans Herz gewachsen. Großen Spaß haben mir immer auch
die Interviews mit Filip Jícha gemacht. Unvergessen für mich, als der THW Kiel vor
zwei Jahren am letzten Spieltag mit zwei Toren Vorsprung Meister wurde und ich
Filip nach dem Spiel eine Frage stellte, worauf er vor laufenden Kameras einen
sechsminütigen Monolog hielt. Weitere Fragen blieben auf der Strecke. Auch Alfreð
Gíslason konnte mitunter sehr auskunftsfreudig sein, wobei die große
Herausforderung darin bestand, mit ihm ein
Interview zu führen, wenn seine Mannschaft mal keine gute Leistung gezeigt
hatte. Neben den vielen Gesprächen sind mir auch etliche Events im Kopf hängen
geblieben. Die großen Turniere mit der Nationalmannschaft von der EM 2010 in
Österreich bis zur WM 2015 in Katar, wo
ich mehrere Wochen zusammen mit Stefan Kretzschmar über die sportlichen
Ereignisse berichten durfte. Und auch der `Tag des Handballs´ 2014 mit einer
beeindruckenden Kulisse im Frankfurter Stadion und die komplette Vorbereitung
mit Team Kretzsche bleibt unvergessen.“
Aprospos Kretzsche – zusammen mit Markus Götz ist er in der neuen
Saison für Sky im Einsatz, um dort die Bundesliga zu moderieren. Gab es Anfragen,
dass auch Sie zukünftig mit dem Mikro in der Hand vom Spielfeld aus berichten?
Wie werden Sie zukünftig dem Handball medial verbunden bleiben?
Anett Sattler: „Für
mich macht es keinen Sinn, auf im Job geschehene Dinge lange
zurückzuschauen. Es hat ein Gespräch gegeben, das Ergebnis ist bekannt.
Jetzt richte ich meinen
Blick auf meine neue Aufgabe bei Teamsport Deutschland. Ich freue mich,
dass
mit Stefan Kretzschmar und Markus Götz zwei meiner ehemaligen Kollegen,
die in
den ganzen Jahren bei Sport1 einen großartigen Job gemacht haben, auch
zukünftig bei Sky die Handball-Bundesliga kommentieren werden. Das werde
ich von
zu Hause vor dem heimischen Fernseher aus verfolgen – und sofern es
meine Zeit
erlaubt, werde ich mir auch Bundesligaspiele live in der Halle
anschauen. Als
Berlinerin sind da natürlich die Spiele der Füchse in der
Max-Schmeling-Halle
eine Option oder am Wochenende die Heimspiele des SCM, wenn ich meinen
Freund
in Magdeburg besuche. Einige Bundesligisten haben mir zum Ende der
vergangenen
Saison signalisiert, dass sie sich freuen würden, mich auch zukünftig in
ihrer
Halle als Besucher begrüßen zu dürfen und mir Einladungen zukommen
lassen. Und
medial gesehen gehe ich dem Handball ja auch nicht ganz verloren. Mitte
Dezember werde ich bei der Handball-Weltmeisterschaft der Frauen die
Halbfinal-
und Finalspiele in Hamburg moderieren. Und auch das EHF Champions League
Final4 in Köln bleibt
eines meiner Lieblingsprojekte. “
Sie haben ihren neuen Job bei Teamsport Deutschland angesprochen.
Seit 01.07. sind Sie dort als hauptamtliche Managerin im Berliner Büro des
deutschen Sports tätig. Was sind ihre Hauptaufgaben? Was hat der Handball von
ihrer dortigen Arbeit?
Anett Sattler: „Das ganze lässt sich gut
mit dem Stichwort `Lobbying´ zusammenfassen. Teamsport Deutschland ist eine
Interessenvertretung der fünf großen Mannschaftssportverbände, bestehend aus
Fußball, Handball, Basketball, Eishockey und Volleyball. Es geht darum, die
gemeinsamen und mannschaftssportartspezifischen Interessen gegenüber den
Anspruchsgruppen aus Politik, Wirtschaft und Sport zu vertreten
Die Ziele von Teamsport Deutschland sind sehr
vielfältig und müssen noch priorisiert werden. Alle Mitglieder sind sich
allerdings darüber einig, dass Leistungssport- und Talentförderung ganz oben
auf der Agenda stehen. Daraus ergibt sich natürlich ein enger Austausch mit dem
DOSB und dem BMI. Weiterhin beschäftigen uns Werberechte und Vermarktung, aber
auch Dienstleistungsangebote und internationale Veranstaltungen. Über allem
steht das gemeinsame Interesse, den Mannschaftssport in Deutschland zu stärken.
Ein weiteres Ziel ist es, den operativen Austausch
zwischen den Verbänden auf den unterschiedlichsten Ebenen zu fördern. Wir
möchten einen aktiven Dialog schaffen. So werden wir uns turnusmäßig mit allen
Präsidenten und Generalsekretären der Mitgliedsverbände zusammensetzen. Auch
Arbeitskreise zu bestimmten Schwerpunktthemen sind zukünftig geplant.“
Stefan Kretzschmar hat in seinem Eingangsinterview auf dem
6. Praxisforum Handball in Köln die These geäußert, dass der Handball zu sehr
in seinem “Saft schmore“ und zu wenig über den “Tellerrand blickt“. Wie sehen
Sie das? Welchen Weg muss der Handball gehen, um ein größeres mediales
Interesse zu erregen? Was kann der Handball diesbezüglich von anderen
Sportarten lernen?
Anett Sattler: „Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt, dass der
Handball dieses Problem bereits erkannt hat. Neben den traditionsreichen
Vereinen auf dem Land gibt es Handball mittlerweile auch in den Großstädten. Events
wurden kreiert wie das REWE Final4 in Hamburg um den DHB-Pokal oder das VELUX
EHF Champions League Final4 in Köln. Liga und Verband arbeiten viel enger
zusammen. Der neue TV-Vertrag mit Sky, der erstmals auch eine Konferenz bietet.
Aber Stefan hat natürlich Recht, diese Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen
und darauf darf sich der Handball nicht ausruhen. Er hat das große Vorbild
Fußball angesprochen und auch wir bei Teamsport Deutschland sind sehr froh, den
DFB an unserer Seite zu wissen."
2015 haben Sie die Produktionsfirma AnDa Medien gegründet.
Was hat es damit auf sich?
Anett Sattler:
„Seit 2003 bin ich nun schon im Mediengeschäft unterwegs. In meiner Branche ist
man im Regelfall selbstständig. Neben meiner Tätigkeit bei Sport1 habe ich
zudem für andere Auftraggeber mediale Projekte realisiert. Meinen jetzigen
Firmenpartner habe ich 2009 als Praktikanten kennen gelernt und ihn
anschließend bei Sport1 mit ins Team geholt. Im Laufe der Jahre hatte jeder von
uns auch eine Vielzahl eigener Projekte. 2015 haben wir diese gemeinsam in
unserer Firma AnDa Medien offiziell gebündelt. Dabei profitieren wir von
unserem gemeinsamen Netzwerk aus Sport und Wirtschaft. In den vergangenen zwei
Jahren haben wir eine Vielzahl von Projekten auf den Weg gebracht und begleiten
Unternehmen dabei, Bewegtbilder für ihre Firmenkommunikation zu erstellen. So
produzieren wir in Zusammenarbeit mit Volkswagen als Partner des Fußballs eine
Vielzahl von Videos. Auch für die DFL sind wir aktiv, produzieren Interviews
mit Spielern aus der Bundesliga. Spannend gestaltet sich auch die
Zusammenarbeit mit dem Bundespresseamt in Berlin. So begleiten wir unter
anderen die Auftritte von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Diese werden anschließend
als Video auf der Facebook-Seite der Bundesregierung hochgeladen. Und ab morgen
startet unser Projekt `Sofa United´ auf Eurosport. Wir haben 15 feste
Protagonisten, die wir wöchentlich besuchen und dabei in Szene setzen, wie sie
zu Hause auf dem heimischen Sofa die Fußball-Bundesliga schauen. Normale
Menschen werden in ihren alltäglichen Gesprächen über Fußball gezeigt. Es ist
nichts gescriptet und keinerlei Einfluss von außen genommen - eine sehr
abwechslungsreiche und authentische Sache. Es wird spannend sein zu beobachten,
wie sich dieses Format entwickelt.“
Frau Sattler, vielen Dank für das ausführliche Gespräch.
Fotos: Max Sander