Ob als Botschafter der Deutschen Sporthilfe oder als Trainer – Heiner
Brand bekennt sich wie vielleicht kein Zweiter um die Nachwuchsförderung
in unserem Lande. Als ehemaliger Bundestrainer weiß er genau, worauf es
ankommt. Und: Er hat offensichtlich einen klaren Standpunkt, wenn es um
das Thema Jugend im Sport geht. Auf der Suche nach Antworten, was der
deutsche Handball von Island lernen kann, hat er sich gerne Zeit für
unsere Fragen genommen. Vielen Dank!
Herr Brand, wie schafft es ein Land wie Island mit gerade einmal
320.000 Einwohnern seit fast 30 Jahren konstant in der Weltspitze des
Handballs mitzuspielen?
Heiner Brand: „Ich bin vor
vierzig Jahren als Spieler des VfL Gummersbach das erste Mal mit dem
isländischen Handball in Kontakt gekommen. Damals haben wir im
Europapokal gegen Valur Reykjavik gespielt. Handball hat in Island eine
sehr große Bedeutung, es ist die Sportart überhaupt. Auf der Insel gibt
es einen sehr langen Winter, der Sport findet viel in Hallen statt.
Ansonsten gibt es dort nicht so viele Freizeitmöglichkeiten. Hinzu
kommt, dass sich fast alles in und um Reykjavik abspielt, die
Entfernungen zu den Sporthallen gering sind. Ich habe einmal in den
Ferien erlebt, dass dort morgens um 6 Uhr 25 Kinder zum Handballtraining
in der Sporthalle standen. Um 8 Uhr und um 10 Uhr fand das gleiche
Prozedere dann noch einmal statt. Insgesamt scheint es mir so zu sein,
dass die Isländischen Kinder und Jugendlichen nicht so verwöhnt sind,
die Ablenkung durch Medien und andere Freizeitbeschäftigungen nicht so
stark gegeben ist, somit die Dropout-Gefahr im Sport und im Speziellen
im Handball nicht so stark ausgeprägt ist. Isländische Nachwuchstalente
sind enorm motiviert und haben das Ziel, Profi im Ausland zu werden.
Nach ihrer aktiven Karriere in den europäischen Ligen finden viele
Spieler den Weg wieder zurück auf die Insel und geben dort ihr
Handballwissen als Trainer weiter.“
Wieso schaffen so viele Handballer aus Island den Sprung in die
europäischen Profivereine? Was zeichnet die isländischen Spieler aus?
Heiner Brand: „Ich finde,
dass isländische Handballer im Allgemeinen über einen guten Charakter
verfügen und eine positive Einstellung zum Sport zeigen. Mit Ólafur
Stefánsson und Aron Pálmarsson verfügt Island über zwei außergewöhnliche
Spieler. Doch dazu gehört auch ein wenig Glück. Die handballerische
Ausbildung auf der Insel ist solide und gut, aber nicht besser als die
unserer DHB-Junioren. Der entscheidende Unterschied ist, dass die
Talente aber deutlich früher und schneller den Weg in den
Senioren-Bereich finden und in jungen Jahren fester Bestandteil in der
1. isländischen Liga sind. Um dann den Sprung auf das europäische
Festland zu wagen. Viele isländische Handballer verfügen über viel
internationale Erfahrung, die insgesamt den Handball auf der Insel
wiederum positiv beeinflusst.“
Was kann der deutsche vom isländischen Handball lernen?
Heiner Brand: „Die Systeme
lassen sich schwer vergleichen, da es in den beiden Ländern total
unterschiedliche Voraussetzungen gibt. Auf Island gibt es nur
Amateurvereine bis in die 1. Liga, bei uns gibt es die Profivereine in
der HBL und teilweise auch in der 2. Liga. Die deutschen Vereine haben
oft bessere Voraussetzungen, verspüren aber auch enormen Druck, sich
platzieren zu müssen. Da müssen Talente häufig hinten anstehen für den
kurzfristigen Erfolg mit gestandenen Spielern aus dem Ausland. Wir
müssen in der Bundesliga wieder mehr mit jungen Spielern arbeiten und
sie fördern und fordern.“
Herr Brand, vielen Dank für das Gespräch.
Foto: Detlev Hebel Marketing