Seit Jahren ist der TV Emsdetten auf dem europäischen
Festland eine der Top-Adressen in Sachen Handball `made in Iceland´. Frank
Thünemann, ehemaliger sportlicher Leiter des westfälischen Bundesligisten,
beschreibt die Spieler von der Insel wie folgt: „Ich schätze an den Isländern ihre ehrliche Art, Handball zu spielen. Sie
sind sehr trainingsfreudig, mit einem Kämpferherz ausgestattet, gehen dorthin,
wo es weh tut. Mund abwischen, weitermachen.“ Damit sind auch Anton Rúnarsson
und Ernir Arnarson gemeint, die seit zwei bzw. viereinhalb Jahren das
Spielgeschehen beim TVE maßgeblich beeinflussen. Torhüter Nils Babin sagt über
seine beiden Vorderleute: „Ernir ist menschlich ein ganz ruhiger und
zuverlässiger Typ. Er hat einen überragenden Unterarmwurf, ist zudem stark im 1
gegen 1. Anton ist als Mensch ein ganz lustiger `Vogel´, als Spielmacher agiert
er mit sehr viel Tempo auf dem Feld.“
Doch die Zeichen
stehen auf Abschied, denn beide Isis werden in den kommenden Wochen den TVE und
damit auch Emsdetten verlassen - mit ganz vielen Erinnerungen im Gepäck.
Hallo Anton, hallo
Ernir, ihr habt viereinhalb bzw. zwei Jahre für den TVE gespielt. Wie war die
Zeit für euch?
Anton Rúnarsson: „Für mich ist es beim TVE gut gelaufen,
denn ich habe in dieser Zeit viel lernen können. Der TV Emsdetten ist ein
Verein auf einem guten sportlichen Niveau. Wir haben jeden Tag zweimal unter
Daniel Kubes trainiert, das war gut für meine Entwicklung. Er ist ein harter,
aber fairer Trainer. Zudem einer, der viel mit seinen Spielern spricht. Als
Spielmacher brauchst du eine gute Kommunikation mit dem Coach, das gibt viel
Selbstvertrauen. Gemeinsam haben wir Spielideen entwickelt, das hat mich weiter
gebracht. In der 2. Bundesliga wird physisch viel härter gespielt als in
Dänemark. Meine absoluten Highlights waren zum einen das Derby gegen die HSG
Nordhorn vor 4.000 Zuschauern, auch wenn wir knapp verloren haben. Zudem der
Heimsieg gegen GWD Minden und mein letztes Heimspiel gegen Bietigheim. Für
meine Familie ist Emsdetten perfekt gewesen. Es leben hier viele nette und
hilfsbereite Menschen - vor allem in unserer Straße. Über den Handball habe ich
viele neue Freunde gefunden, da bleibt der Kontakt über das Internet bestehen.
Sie haben mir geholfen, die deutsche Sprache zu lernen. Wie auch meine
isländischen Mitspieler, die mich gerade am Anfang bei vielen Dingen
unterstützt haben. In Erinnerung bleiben auch die isländischen Familienabende.“
Ernir Arnarson: „Das Aufstiegsjahr war sicherlich mein
sportliches Highlight. Wir hatten damals eine Super-Mannschaft. Die 1.
Bundesliga war auch ein schönes Erlebnis, obwohl wir so oft verloren haben. Mir
werden die großen schönen Hallen in Hamburg und Kiel in Erinnerung bleiben,
zudem die Siege gegen TuS N-Lübbecke und der Punktgewinn gegen die HSG Wetzlar.
Insgesamt gesehen aber ein schwere Saison. Als Aufsteiger brauchst du einen
Plan, um in der 1. Liga bestehen zu können. Ein Trainer braucht Zeit, eine
Mannschaft aufzubauen, die dort mithalten kann. Der Trainerwechsel vor
Saisonbeginn hat das Ganze nicht einfacher gemacht. Ich finde, dass sich die
Menschen in Emsdetten und auf Island ähneln. Beide sind freundlich
zurückhaltend. Emsdetten wird immer in meinem Herzen sein, da meine Tochter
hier geboren wurde.“
Apropos Bundesliga
– Wie seht ihr den deutschen Handball?
Anton Rúnarsson: „Ich habe viele Spiele der 1. und 2. Liga
gesehen. Die Bundesliga ist unbestritten die stärkste Handballliga der Welt.
Viele sehr gute Akteure spielen dort. Beeindruckend ist die Physis der Spieler,
das Tempo im Spiel, dazu die großen Hallen mit den vielen Zuschauern. In den
Hallen der 2. Bundesliga herrscht oft gute Stimmung. Dort gibt es auch erstligataugliche
Spieler, insgesamt ist die Spielstärke der beiden Ligen aber nicht zu
vergleichen. Dass Deutschland im Winter Europameister wurde, hat mich
überrascht. Die Mannschaft hatte vor dem Halbfinale einige Verletzte, konnte
sich trotzdem durchsetzen. Mit ein großer Verdienst von Trainer Dagur
Sigurðsson, den ich noch aus meiner Zeit bei Valur Reykjavík kenne. Ein
ehrlicher Typ, der eigentlich immer die richtigen Entscheidungen trifft. Wenn´s
sein muss, auch harte Entscheidungen. So hat er Füchse-Keeper Silvio Heinevetter
nicht mit zur Europameisterschaft genommen, weil der nicht in Bestform war. Der
Erfolg hat ihm Recht gegeben.“
Ernir Arnason: „Die Handball-Welt in Deutschland ist doch
riesig im Vergleich zu Island. Hier hast du hunderte Vereine, bei uns in Island
gibt es maximal zwanzig. Die 1. Bundesliga zeichnet sich durch ein
hohes spielerisches Niveau aus. Ich habe ja ein Jahr dort spielen dürfen und
festgestellt, dass man im Vergleich zur 2. Liga viel genauer werfen muss, um
einen Treffer zu erzielen. Auch die Passgenauigkeit muss deutlich höher sein,
damit zum Beispiel ein Anspiel an den Kreis gelingt. Dass Deutschland
Europameister wurde, hat mich nicht so überrascht. Nur der Zeitpunkt! Dass
Dagurs Konzept schon so früh gegriffen hat, erstaunt mich. Auch ich kenne ihn
von meiner Zeit bei Valur Reykjavík und weiß, wie er konzeptionell arbeitet.
Wenn es nicht um Handball geht, kann Dagur auch locker sein.“
In den kommenden
Tagen endet eure Zeit beim TV Emsdetten. Wie geht´s nach der Sommerpause
weiter?
Anton Rúnarsson: „Ich habe Vertragsangebote von mehreren
Vereinen. In den kommenden Tagen steht die Entscheidung an. Meine Frau und ich brauchen
Planungssicherheit, denn in zwei bis drei Wochen steht die Geburt unseres
zweiten Kindes an. Ich würde mich freuen, wenn es in Deutschland weitergeht.
Ich habe die Sprache gelernt und könnte mir vorstellen, noch einige Jahre hier
zu spielen. Mein Wunschtraum ist natürlich, auch mal für einen Verein in der 1.
Bundesliga aufzulaufen. Alle isländischen Handballer haben dieses Ziel. Dort
kannst du viele Erfahrungen sammeln, die auch nach der aktiven Karriere
hilfreich sein können. Denn mein Ziel ist es, später einmal als Trainer zu
arbeiten. Dagur hat gezeigt, wie es gehen kann.“
Ernir Arnason: „Ich werde in den kommenden Wochen nach Island
zurückkehren, um an der Universität von Reykjavík mein Studium fortzuführen.
Einen Bachelor als Industrie-Ingenieur habe ich bereits, ab Herbst beginnt mein
Masterstudium. Wie es mit Handball weiter geht, weiß ich noch nicht. Minimum
ein halbes Jahr braucht es noch, um meine Armverletzung vollständig auszukurieren.“
Anton und Ernir,
vielen Dank für das Gespräch und alle Gute für die Zukunft.
Fotos: Dieter Dorn - Max
Sander