Die SG Flensburg-Handewitt gilt als erster Anwärter
wenn es darum geht, den THW Kiel in der kommenden Saison von seinem
Thron zu stürzen. Nicht zuletzt vier hochkarätige Neuzugänge und die
Erfolge in den vergangenen Jahren versetzen die Grenzregion zu Dänemark
in Euphorie. Diese spürt auch SG-Geschäftsführer Dierk Schmäschke, ohne
dabei die Bodenhaftung zu verlieren oder gar in Stress zu verfallen. Das
jedenfalls hat uns Trainer Ljubomir Vranjes über seinen Chef verraten.
Hallo Herr Schmäschke, wissen Sie schon, was Sie am Samstag, den 04.06.2016 machen werden?
Dierk Schmäschke: „Meinen
Sie den letzten Spieltag in der 1. Bundesliga? Soweit denken wir bei der
SG nicht im Voraus. Erst einmal schauen wir, wie unsere Mannschaft den
Saisonstart hin bekommt. Man muss bedenken, wir haben eine neu formierte
Mannschaft mit vier sehr guten Neuzugängen. Mal sehen, wie das alles
zusammenpasst und ob wir nicht - wie im vergangenen Jahr - vom großen
Verletzungspech verfolgt werden. Aber ganz klar: Wir wollen möglichst
weit oben stehen. Wobei für mich der THW bei seinem breit aufgestellten
Kader als Favorit auf die Deutsche Meisterschaft gilt. Zu den
Mannschaften unter den Top 4 zähle ich neben den Rhein-Neckar-Löwen noch
den SC Magdeburg.“
Wie groß ist die Erwartungshaltung im Umfeld/bei den Fans der SG Flensburg-Handewitt?
Dierk Schmäschke: „Den
Druck nehmen wir gar nicht wahr, denn Mannschaft und Verantwortliche der
SG wissen seit 20 Jahren damit umzugehen. Wir spüren vielmehr eine
Euphorie in der Region Flensburg nach den Erfolgen im Pokal und der
Champions League. Unsere Sponsoren erkennen diese Erfolge an, wir sind
es der Mannschaft nach der Verletztenmisere in der vergangenen Saison
schuldig, sie breiter aufzustellen.“
Der Etat ist von 6 auf 6,5 Mio. Euro erhöht worden - wie kommt der
zustande? Welche Bedeutung hat für Sie der skandinavische Handballmarkt
in Bezug auf Sponsoring?
Dierk Schmäschke:
„Gesellschafter, Trainer und Geschäftsführer haben sich zusammengesetzt
und haben die vergangene Saison analysiert. Daraufhin haben die
Gesellschafter, von den 90 % auch Sponsoren der SG sind, ihr o.k.
gegeben, den Etat zu erhöhen. Durch unsere Grenzlage verstehen wir uns
als Tor zu Skandinavien, haben dadurch einen sehr guten Einblick in den
Markt und nutzen diesen Vorteil. Nicht zufällig ist die Mutter unseres
Hauptsponsors `Dänisches Bettenlager´ der dänische Konzern JYSK. Denen
hilft natürlich unser deutsch-skandinavisches Image.“
12 von 18 Spielern kommen inzwischen aus Dänemark oder Schweden,
mit Jacob Heinl aber nur ein Spieler aus der eigenen Jugend. Ist die
Anschlussförderung kein Thema mehr bei der SG Flensburg-Handewitt?
Dierk Schmäschke: „Sie
dürfen Michael Nicolaisen nicht vergessen, der unserer Jugendabteilung
entstammt und schon länger zu unserem Bundesliga-Kader gehört. Außerdem
spielt Lukas Blohme mit Zweitspielrecht beim ASV Hamm und Christopher
Rudeck war bis zum Sommer an den dänischen Erstligisten Mors-Thy
Håndbold ausgeliehen, bevor er zum Bergischen HC gewechselt ist. Diese
Spieler begleiten wir in ihrer Entwicklung. Unsere Jugendarbeit ist seit
Jahren sehr erfolgreich, etliche Deutsche Jugendmeisterschaften sowie
das Jugendzertifikat mit Auszeichnung unterstreichen das. Aber der
Sprung in eine europäische Spitzenmannschaft ist nicht so einfach. Wir
haben schon dreimal den Antrag gestellt, in Bundesligapartien mit 16,
davon zwei jungen Talenten, statt 14 Spielern auflaufen zu können. In
jedem europäischen Land ist das so, nur bei uns nicht. Ich verstehe da
den DHB nicht. Auch Bob Hanning sträubt sich dagegen.“
Mit Leipzig und Stuttgart sind zwei Großstädte neu in der HBL vertreten. Wie bewerten Sie diesen Trend?
Dierk Schmäschke: „Ich
begrüße das grundsätzlich und tut der Bundesliga gut. Handball kommt
zwar aus der Breite und ist in vielen ländlichen Regionen sehr präsent,
aber wenn ein Aufsteiger in der HBL mithalten möchte, sind doch die
großen Arenen ab 4.000 Zuschauern fast ein Muss. Für Leipzig als alten
und traditionellen Handballstandort freut es mich, dass der DHfK jetzt
zusammen mit dem SCM die neuen Bundesländer repräsentiert. Stuttgart ist
schon lange eine Handballhochburg und bekommt jetzt einen weiteren
Schub. Flensburg ist zwar keine Großstadt im eigentlichen Sinne, aber
wir haben hoch oben im Norden ein Alleinstellungsmerkmal.“
In einem Interview im April 2014 sagten Sie: „Ich bin froh, dass
Stefan Kretzschmar immer noch dabei ist. Insgesamt ist der Handball noch
nicht medienerfahren genug. Da gibt es noch großen Handlungsbedarf.“
Gibt es da inzwischen Typen, die in die Fußstapfen von Kretzsche treten
könnten?Dierk Schmäschke:
„Stefan Kretzschmar wird auch in den nächsten Jahren eines der Gesichter
des deutschen Handballs sein. Wir kennen uns gut und ich finde, dass er
seinen Job als Gesamterscheinung in den Medien hervorragend macht. Es
gibt Einige, die das Potential haben, mal in seine Fußstapfen zu treten.
Paul Drux kann einer werden, vielleicht auch Uwe Gensheimer. Silvio
Heinevetter ist da schon ein wenig spezieller, aber wer weiß. Insgesamt
ist die mediale Vermarktung unserer Sportart noch lange nicht ideal. Im
Bereich Crossmedia sehe ich erhebliches Entwicklungspotential. Auch mehr
TV-Präsens zur Primetime wäre wünschenswert. Sport 1 und Sky machen das
echt gut, aber auch ARD und ZDF könnten den Handball mehr in den Fokus
rücken.“
Stichwort “Trouble beim DHB“ – wie bewerten Sie die aktuelle Diskussionen und Berichterstattungen in den Medien?
Dierk Schmäschke: „Das im
Moment fast ausschließlich die Personen im Mittelpunkt stehen, tut der
Sache nicht gut. Es sollte wieder zielführend diskutiert werden. Ich
habe Respekt vor der Arbeit von Bernhard Bauer und Bob Hanning, der DHB
war auf einem guten Weg, da muss man sich selber jetzt nicht ins eigene
Knie schießen. Alle Beteiligten sollten sich zusammensetzen und
gemeinsam überlegen, wie sie den deutschen Handball national wie
international weiter nach vorne bringen können. Menschen wie Bob
Hanning, die etwas bewegen wollen, polarisieren. Ich bin auch nicht
immer seiner Meinung, aber wir diskutieren dann sachlich über bestimmte
Themen. Ich bin in den gemeinsamen Anfangsjahren in Hamburg gut mit ihm
klar gekommen und wir haben den HSV vorwärts gebracht.“
Herr Schmäschke, vielen Dank für das Interview und der SG Flensburg-Handewitt viel Erfolg in der kommenden Saison.
Fotos: Max Sander