"Lebe seit 23 Jahren den Traum, mein Hobby zum Beruf zu machen"
Die Zeichen stehen beim TV Emsdetten auf sportlichen Aufschwung.
Hauptverantwortlich dafür: Daniel Kubeš.
Der gebürtige Prager, der in Personalunion auch das Traineramt der
tschechischen Nationalmannschaft ausübt, musste dabei in den vergangenen drei
Jahren viel Aufbauarbeit leisten, um den westfälischen Zweitligisten nach einem
missglückten Jahr in der HBL sportlich wieder auf Kurs zu bringen.
Hallo Daniel, die aktuelle Tabelle zeigt: Deine Mannschaft
steht mit 16:2 Punkten noch ungeschlagen auf dem zweiten Tabellenplatz. Das
konnte man vor Saisonbeginn nicht unbedingt erwarten, oder?
Daniel Kubeš: „Auf keinen Fall! Wobei die Spielweise
meiner Mannschaft und der damit verbundene sportliche Aufschwung für mich nicht
unerwartet kommt - wenn man sich die Rückserie der vergangenen Saison vor Augen
führt. Seit April hatten wir die allermeisten Spiele gewonnen und haben uns als
Team gefunden. Deshalb gab es vor Saisonbeginn keinen Grund, warum es nicht
positiv für uns laufen sollte. Wir haben uns insgesamt eine gute Trainings- und
Spielkultur erarbeitet, von der wir jetzt profitieren. Die aktuelle Statistik
zeigt, dass unsere Defensivarbeit ein wenig besser geworden ist. In der letzten
Spielzeit hatten wir im Schnitt 28 Gegentore kassiert, diese Saison sind es bislang
27. Es geht nur um ein einziges Tor, das aber in dieser leistungsmäßig doch sehr
homogenen Liga oft den Unterschied zwischen Punktgewinn und Niederlage
ausmachen kann. Bei uns funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Abwehr und
Torwart. Als Konstantin Madert im vergangenen Jahr zu uns kam, brauchte es
seine Zeit, bis er sich seine Position innerhalb der Mannschaft erspielt hat.
Jetzt ist er eine wichtige Stütze und seine Vorderleute vertrauen ihm. Ein Mehr
an Vertrauen ist immens wichtig, um sportlichen Erfolg zu haben. Das zeigt sich
auch im Zusammenspiel von Merten Krings und Andre Kropp, das schon länger gut
war. Beide sind momentan mental gut drauf, das Selbstvertrauen ist da, dann
funktionieren viele Dinge wie automatisch.“
Wie bewertest du den Einstand von Neuzugang Dirk Holzner?
Daniel Kubeš: „Wir wussten von Beginn an, was Dirk
kann. Das hatte er zuvor in Saarlouis schon bewiesen. In den vergangenen zwei
Jahren hat es für ihn in Eisenach nicht so funktioniert. Als seine
Verpflichtung feststand, waren wir davon überzeugt, dass er uns direkt
weiterhelfen wird. Dass er gleich im ersten Spiel 16 Tore wirft, war so
natürlich nicht zu erwarten. Neben seinen Toren aus dem Positionsspiel und im
Tempogegenstoß wird er mit seiner 90-prozentigen Effektivität vom 7-Meter-Punkt
im Verlauf der Saison noch sehr wichtig für uns sein.“
Du hast in dieser Saison nur einen kleinen Kader zu
Verfügung, der TVE spielt aktuell ohne gelernten Rückraumrechts-Linkshänder.
Daniel Kubeš: „Wir investieren im Training sehr viel im
athletischen Bereich, so dass wir mit unserem kleinen Kader im gesamten
Spielverlauf diese Leistungen physisch abrufen können. Durch unsere körperliche
Fitness gelingt es uns auch, ein wenig von Verletzungen verschont zu bleiben.
Das wir aktuell ohne Linkshänder im rechten Rückraum agieren, ist im Bundesliga-Handball
sicherlich ungewöhnlich. Wir müssen mit dieser Situation kreativ umgehen und im
Angriff immer wieder neue Lösungen finden, um die Defensive des Gegners in
Schwierigkeiten zu bringen. Aktuell macht das Jasper Adams im rechten Rückraum
sehr gut.“
Seit knapp einem Jahr ist Malte Schröder mit einer
Schulterverletzung zum Zuschauen verurteilt. Wann rechnest du mit seiner
Rückkehr?
Daniel
Kubeš: „Maltes Verletzung war so schwer, dass es keinen Sinn macht,
da jetzt einen konkreten Termin für seine Rückkehr zu nennen. Es wäre für einen
positiven Heilungsverlauf nicht förderlich, ihm jetzt Druck zu machen, damit er
möglichst schnell wieder spielt. Aktuell macht er gute Fortschritte. Erst wenn
er im Training wieder die Qualität zeigt, um der Mannschaft im Spiel helfen zu
können, wird er wieder zum Einsatz kommen. Ich gehe da kein Risiko ein, denn
als Trainer muss ich auch langfristig denken und eine ganze Saison im Blick
haben, um möglichst viele Spiele gewinnen zu können. Wenn Malte aber wieder mit
an Bord ist und wir somit wieder einen Linkshänder im Rückraum haben, werden
wir im Angriff noch schwerer ausrechenbar sein.“
Ein Blick auf den Spielplan: In den kommenden Wochen und
Monaten geht es gegen die Topteams der Liga. Zeigt sich in den Spielen gegen
Nordhorn, Bergischer HC, Bietigheim und Balingen, wie stark der TVE wirklich
ist?
Daniel Kubeš: „Absolut! Im Moment genießen wir
natürlich die Situation und reiten gerade auf einem `Flow´. Wir werden die
aktuelle Tabellensituation aber auch nicht überschätzen und wissen, wo wir
leistungsmäßig stehen. In diesem Zusammenhang möchte ich nicht unerwähnt lassen,
dass wir in der vergangenen Saison bis fünf Spieltage vor Schluss noch im
Abstiegskampf steckten. Von Bedeutung wird sein, wie weit wir in diesem Jahr vom
Verletzungspech verschont bleiben. Aktuell schmerzt der Verlust von Georg
Pöhle. Diesen werden wir in den kommenden Wochen als Team auffangen müssen. Da
vertraue ich in die Leistungsfähigkeit meiner Mannschaft. Von außen ist das
vielleicht nicht immer so sichtbar, aber Spieler wie zum Beispiel Yannik Dräger
sind für uns wichtige Stützen und helfen uns besonders in solchen Situationen.
Aber auch die jungen Spieler müssen jetzt zeigen, dass sie bereit sind, um
einen Stammplatz zu kämpfen.“
Über Trainer Daniel Kubeš
ist häufig zu lesen, dass es beim ihm im Training hart zur Sache geht. Was
verlangt ein harter Trainer von seinen Spielern?
Daniel Kubeš: „Ich finde nicht, dass ich hart bin – und
höre das auch nicht. Von meinen Spielern verlange ich, jeden Tag ein wenig
besser werden zu wollen. Jede Minute des Trainings soll von diesem Gedanken geprägt
sein. Passiert das nicht, ist die Minute verloren. Ich
finde, da bin ich nur konsequent.“
Du warst als Spieler fast 20 Jahre im Profigeschäft
unterwegs, hast in dieser Zeit viel gesehen und erlebt. Nun sitzt du im vierten
Jahr beim TV Emsdetten auf der Trainerbank. Gibt es aus deiner aktiven Zeit
einen Trainer, der dich bei der täglichen Arbeit mit deiner Mannschaft
maßgeblich beeinflusst? Hast du Vorbilder?
Daniel Kubeš: „Sicherlich nimmt man von jedem Trainer
etwas mit. Ich hatte während meiner Zeit in der 1. schwedischen Liga bei Drott
Halmstad das Glück, unter Trainer Magnus Andersson trainieren zu dürfen. Anschließend
habe ich in Deutschland mit großen Trainerpersönlichkeiten wie Ola Lindgren,
Markus Bauer, Alfreð Gíslason und Michael Roth zusammengearbeitet. Mein Vorbild als Trainer hat aber
auf den ersten Blick nur sehr wenig mit Handball zu tun: Nick Saban, der als Head-Coach des College-Football-Teams
der University of Alabama sehr erfolgreich arbeitet. Er konnte mit seinem Team in
den vergangenen Jahren gleich fünfmal den Titel in der Nachwuchs-Liga des
American Football gewinnen - und das mit teils sehr unterschiedlichen
Mannschaftskadern. In dieser Liga Titel zu gewinnen ist deutlich schwieriger
als im Profibereich. Wenn du als Trainer dort erfolgreiche Arbeit leistest, ist
es so, dass du jedes Jahr an die 25 Prozent deiner Leistungsträger abgibst. Als
Trainer hat Nick Saban einen Plan entwickelt, damit umzugehen. Seine Hauptaufgabe
sieht er darin, jedes Jahr junge Talente erfolgreich in sein Team zu
integrieren und sie ein Stück weit auf ihrem Weg hin zum Profi zu begleiten.
Ich habe viel von ihm gelesen und finde, dass sich der Football speziell in
dieser College-Liga und der Handball, so wie wir ihn praktizieren, in einigen
Dingen sehr ähnlich sind. Die Spieler sind zumeist jung, sportlich talentiert
und auf dem Sprung in den Profibereich. Neben dem Sport gehen sie häufig einem
Studium nach. Nick Saban ist ständig auf der Suche nach Perfektion und dauerhaftem
Erfolg - und inspiriert mich mit seiner Denk- und Herangehensweise in meiner
täglichen Arbeit.“
Insgesamt zehn Jahre 1. Bundesliga stehen in deiner Vita, unter
anderen hast du jeweils zwei Jahre für den THW Kiel und die MT Melsungen
gespielt. Wie sehr hat dich diese Zeit geprägt?
Daniel Kubeš: „Beim THW zu spielen war schon etwas ganz
Besonderes. Damals spielten dort die besten Handballer Europas und der Verein
hat viele Titel geholt. Viele meiner Mitspieler habe ich als großartige Persönlichkeiten
erlebt, die dem sportlichen Erfolg alles untergeordnet haben. Das ist typisch
für den THW: Von der Mannschaft über die Geschäftsstelle bis hin zum Busfahrer
gibt es nur ein Ziel: Erfolg. Nach meiner Zeit dort war ich sehr froh, dass mir
Trainer Michael Roth bei der MT Melsungen noch die Möglichkeit gegeben hat,
meine sportliche Karriere auf hohem Niveau beenden zu können. Wir waren
sportlich erfolgreich und die Zeit insgesamt für mich sehr lehrreich.“
Du giltst als sehr ehrgeizig. Aktuell bist du Trainer
eines Zweitligisten - wann geht es für den Trainer Daniel Kubeš
zurück in die 1. Liga. Gab es diesbezüglich schon Anfragen?
Daniel Kubeš: „Bis jetzt
gab es noch keine Anfragen. Vielleicht passiert das irgendwann einmal. Aktuell
verschwende ich keinen Gedanken daran, denn man muss bedenken, dass ich noch
ein sehr junger Trainer bin, der noch viel zu lernen hat. Ich bin
überglücklich, dass ich nach dem Ende meiner aktiven Laufbahn beim TVE die
Chance bekommen habe, weiter im Handball tätig sein zu dürfen. Ich lebe seit 23
Jahren meinen Traum, dass ich mein Hobby zum Beruf machen konnte. Das ist
fantastisch!“
Für deinen Ehrgeiz spricht auch, dass du
neben deinem Job beim TV Emsdetten noch als der Trainer der tschechischen
Nationalmannschaft unterwegs bist. Wie gehst du mit dieser Doppelbelastung um?
Daniel Kubeš: „Aktuell ist es
für mich noch machbar, beide Aufgaben bereiten mir viel Spaß. Aber auf Dauer
muss es da sicherlich eine andere Lösung geben. Denn am Ende einer Saison fühle
ich mich schon ziemlich platt. So eine Doppelbelastung ist nur bewältigen, wenn
du auf beiden Seiten ein Trainerteam hast, auf das du dich verlassen kannst und
dir viel Arbeit abnimmt, so dass ich mich auf das Wesentliche konzentrieren
kann. Das ist sowohl beim TVE als auch beim tschechischen Handballverband der
Fall.“
Daniel, vielen Dank für das Interview und viel Erfolg in der
laufenden Saison.
Fotos: D. Dorn - H. Hartung - Kati Kubešnova - M. Sander