Wohl nichts nervt
einen Profisportler mehr als verletzungsbedingt auf der Tribüne zu sitzen,
während die Kollegen ihrem Job nachgehen. Malte Schröder kann davon mehr als
nur ein “Lied singen“. Nach überstandenem Kreuzbandriss war der Ex-Melsunger
mit hohen Erwartungen zum Zweitligisten TV Emsdetten gewechselt, um nach nur
wenigen Spielen wieder mehr mit Ärzten und Physiotherapeuten als mit Trainern
und Mitspielern zu sprechen. Doch ein Ende seiner Leidenszeit scheint in Sicht.
Hallo Malte, die 2.
Bundesliga ist am vergangenen Wochenende in die Saison gestartet, während du
weiterhin verletzungsbedingt zum Zuschauen gezwungen bist. Wie fühlt sich das
an?
Malte Schröder: „Es nervt - gerade nach einer langen
Verletzungsgeschichte wie ich sie in den vergangenen zwei Jahren erlebt habe. Beim
Saisonstart ist man als Spieler immer ein wenig angespannt und freut sich, dass
es endlich wieder losgeht. Einfach schade, jetzt die ersten Spiele der neuen
Saison zu verpassen. Positiv ist: Ich mache Fortschritte, aktuell sehe ich die
maximale Leistungsfähigkeit meines Wurfarmes bei 65 bis 70 Prozent. Es ist
schwer, eine Prognose abzugeben, wann ich wieder auf dem Spielfeld stehe, mit
viel Optimismus ist mein erster Einsatz im Oktober denkbar. Bei dieser Art der
Verletzung muss man gerade als Handballer sehr vorsichtig agieren und darf
nichts überstürzen. In der Rotationsmanschette der Schulter sind zwei Sehnen
gerissen, die operativ mit sechs Ankern wieder befestigt wurden. Das ist mit
die schlimmste Verletzung, die du dir als Rückraumspieler zuziehen kannst, denn
in der Bundesliga erfordern unsere Würfe auf´s Tor den maximalen Krafteinsatz.
Und das ist bei mir im Moment noch nicht möglich. Ich weiß von Paul Drux, der
wie ich im Reha-Zentrum von Klaus Eder in Donaustaufen war und sich schon mit
einer identischen Verletzung herumgeplagt hat: Nach der OP braucht es acht
Monate, um wieder spielen zu können. Seit vergangenen Herbst plagten mich die
Schmerzen in der Schulter. Die Untersuchungen von verschiedenen Ärzten und das
MRT waren nicht eindeutig, so dass mir erst geraten wurde, meine Schulter konservativ
mit einer Spritzenkur sowie Akupunktur zu therapieren. Doch die Maßnahmen haben
nicht geholfen, so dass letztendlich eine OP unausweichlich war. Diese hat sich
leider um weitere acht Wochen verzögert, da ein anerkannter Spezialist für
Schulteroperationen mir erst Ende Februar einen OP-Termin anbieten konnte. Mit
anschließender Reha sowie individuellem Trainingsplan bin ich jetzt halbwegs
schmerzfrei und blicke zuversichtlich auf eine Fortführung meiner sportlichen
Karriere.“
Wie ist es für
dich, nach deinem Wechsel im Sommer 2016 sportlich gesehen noch nicht richtig
angekommen zu sein beim TVE?
Malte Schröder: „Verletzungen sucht man sich ja nicht aus.
Ich weiß, dass mit meiner Verpflichtung hohe Erwartungen an meine Person
verknüpft waren, die ich bis jetzt nicht erfüllen konnte. Im Nachhinein
betrachtet hätte ich in der Hinrunde der vergangenen Saison besser einige
Spiele nicht gemacht, in denen ich schon Schmerzen in der Schulter gespürt habe
und nicht mein volles Leistungspotential abrufen konnte. Schulterprobleme sind
das `tägliche Brot eines Handballers´. Als ich dann aber im Spiel gegen
Ferndorf einen harten Schlag gegen meine Wurfschulter bekommen habe, ging anschließend
nichts mehr. Nach meinem Kreuzbandriss in Melsungen die zweite schwere
Verletzung innerhalb von zwei Jahren - das lässt dich als Sportler nachdenklich
in alle Richtungen blicken. Wird es überhaupt wieder? Welche Alternativen gibt
es? Ich wollte mir persönlich aber nicht den Vorwurf machen, nicht alles
versucht zu haben, sportlich wieder fit zu werden. Denn mit 30 Jahren bin ich
noch in einem guten Handball-Alter und habe noch viel Spaß an meinem Sport.“
Die aktuelle 2.
Bundesliga gilt gemeinhin als die stärkste aller Zeiten. Was traust du dem TVE in
der neuen Saison zu?
Malte Schröder: „Ein einstelliger Tabellenplatz wie in der
vergangenen Spielzeit wäre gut und ist realistisch gesehen das, was unsere
Mannschaft in dieser unberechenbaren Liga erreichen kann. Die 2. Bundesliga
gleicht einer echten Wundertüte, Überraschungen sind an der Tagesordnung. An
einem guten Tag können wir mit Sicherheit auch einen Favoriten wie Balingen zu
Fall bringen. Ob wir es wie im vergangenen Jahr mit dem Abstiegskampf zu tun
bekommen, hängt nicht unwesentlich davon ab, ob wir weitgehend vom
Verletzungspech verschont bleiben. Wir haben drei bis vier Schlüsselspieler,
wenn die sich verletzen, könnten wir Probleme bekommen. So wie in der
vergangenen Saison, als in der Hinrunde Andre Kropp längerfristig ausfiel.“
Konstantin Madert
hat mir gegenüber im Interview geäußert: „Für Vereine mit finanziell wenig Spielraum wird es immer schwieriger,
oben anzugreifen. Wobei ich hier in Emsdetten mittelfristig schon Möglichkeiten
für einen erneuten Aufstieg in die 1. Bundesliga sehe. Wenn ich mir alleine das
wirtschaftliche Potential mit vielen erfolgreich agierenden mittelständischen
Unternehmen anschaue, müsste in dieser Stadt in Sachen Spitzenhandball mehr
möglich sein.“ Wir siehst du das?
Malte Schröder: „Ich teile `Konstis´ Einschätzung das
wirtschaftliche Potential der Stadt Emsdetten betreffend. Wobei es für einen
Verein oft schwierig ist, Sponsoren zu gewinnen. Für mich als Sportler ist es
schade zu sehen, dass sich im Handball – im Gegensatz zum Fußball - mit
verhältnismäßig wenig finanziellen Mitteln viel bewegen lässt und es trotzdem
schwer ist, die Wirtschaft von einem Engagement zu überzeugen. Um Begeisterung
bei Sponsoren zu entfachen, braucht es eine gute Kommunikation – und diese
steht und fällt natürlich auch mit dem sportlichen Erfolg. Für den TVE war das
eine Jahr in der 1. Bundesliga sportlich wie wirtschaftlich nicht von Erfolg
gekrönt und hat `verbrannte Erde´ hinterlassen. Für mich ist die Entwicklung
vom SC DHfK Leipzig in den letzten Jahren ein gutes Beispiel, wie es mit einem
guten Konzept Schritt für Schritt vorwärts gehen kann.“
Apropos Leipzig - gerade
in der 1. Bundesliga ist der Trend zu beobachten, dass es den Profihandball
mehr und mehr in die großen Städte zieht. Vereine wie Melsungen, Bittenfeld
oder Erlangen, die nach Kassel, Stuttgart bzw. nach Nürnberg gegangen sind,
stehen sinnbildlich für diese Entwicklung. Du hast in einem Interview mal
gesagt: „Dazu muss auch das Umfeld – größerer Sponsorenpool, größere Halle etc.
– geschaffen werden, um oben angreifen zu können.“ Der TVE hat in der
Vergangenheit erfolgreiche Gastspiele in Münster abgeliefert, du wohnst dort.
Ist für dich bezüglich dieser Denkrichtung in Zukunft beim TVE etwas möglich?
Malte Schröder: „Schwierig zu beurteilen. Bevor ein Verein
einen solchen Schritt gehen kann, muss zuvor viel Aufbauarbeit geleistet
werden. Ein gesundes wirtschaftliches wie sportliches Fundament ist
Grundvoraussetzung dafür. Als Verein aus einer kleinen Stadt verkaufst du
natürlich ein Stück weit deine Seele und den Stolz der Menschen, die sich mit
diesem Verein identifizieren. Wenn ein Verein aber in bestimmte Sphären
vordringen will, muss er diesen Weg gehen. Ein gutes Beispiel dafür ist für
mich der TV Bittenfeld, der in seinen ersten Jahren in Stuttgart zunächst
jeweils nur ein Gastspiel pro Saison dort hatte, als sie ihre baden-württembergischen
Derbys in die Porsche-Arena verlegt haben. Ich persönlich fänd´s natürlich gut,
auch mal in Münster zu spielen. Mit seinen 300.000 Einwohnern und der
Wirtschaftskraft ist dort bestimmt etwas möglich. Aber für mich sind
Überlegungen in dieser Hinsicht `Zukunftsmusik´.“
Neben dem Handball
legst du seit dem vergangenen Jahr deinen Fokus verstärkt auf die
Jobperspektive. Wie läuft´s?
Malte
Schröder: „Schon während meiner gesamten sportlichen Laufbahn habe ich
immer parallel gedacht und gehandelt. Zu meinen Lemgoer Zeiten habe ich eine
kaufmännische Ausbildung erfolgreich abgeschlossen, anschließend zu meinen
Erstligazeiten in Lübbecke und Hamm an der FH Münster BWL studiert und den
Bachelor gemacht. Aktuell baue ich darauf mit einem Masterstudiengang in
Immobilienwirtschaft und Facility Management an selbiger Fachhochschule auf. Im
Moment absolviere ich in diesem Bereich ein Praktikum.“
Malte, vielen Dank
für das Interview. Ich wünsche dir ein möglichst baldiges Comeback und eine erfolgreiche
Saison.
Fotos: Dieter
Dorn - Max Sander