Der Name von Boenigk ist in Handball-Deutschland ein Begriff. Vor allem
in Westfalen (OWL eingeschlossen) kennen viele Handballer Diethard von
Boenigk und seit einigen Jahren auch seinen ältesten Sohn Jan. „Im Laufe
der Jahre hat sich ein Netzwerk entwickelt. Ich treffe häufig Bekannte,
wenn ich in Sachen Handball unterwegs bin“, so Vater von Boenigk, den
alle nur `Diedl´ rufen. Eine Einschätzung, die sein Sohnemann bestätigen
kann: „Es kommt häufiger vor, dass mich auswärts einer anspricht, den
ich persönlich nicht kenne. Dann heißt es immer >Grüß mal deinen Papa
von mir<.“
Angefangen hat alles in den 70er Jahren in Bielefeld. In der heimlichen
Hauptstadt Ostwestfalens beginnt die Sportkarriere des Diethard von
Boenigk. In der Jugend und in den ersten Seniorenjahren spielte er beim
dortigen Stadtteilverein SV Heepen. Dem Handball in Ostwestfalen hielt
er auch die Treue, als es zum Studium nach Münster ging: „Englisch und
Sport auf Lehramt konnte man damals nicht in Bielefeld studieren. 1982
holte mich Horst Bredemeier dann zum TBV Lemgo, ein Jahr später sind wir
in die 1. Bundesliga aufgestiegen. Das Ganze war schon mit Fahrerei
verbunden. Doch es waren andere Zeiten und somit der Aufwand trotz
Studium machbar. Wir haben in Lemgo zu Beginn zweimal in der Woche
trainiert – und das als Erstligist! Das richtige Profitum mit
zusätzlichen Kraft- und Athletikeinheiten wie man es heute kennt, ging
erst nach meiner Zeit los.“ Insgesamt sechs Jahre war von Boenigk Senior
Spielgestalter im TBV-Rückraum, bevor es den Münsteraner zum DSC Wanne
Eickel zog. 1989 stieg der Verein in die 1. Liga auf, um nach nur einem
Jahr – das Bauunternehmen Heitkamp stellte als Hauptsponsor nach einem
Streit mit Vereinsfunktionären seine finanziellen Zuwendungen ein –
wieder in der Versenkung zu verschwinden. Diethard von Boenigk folgte
dem Ruf der Heimat und lief fortan für die TSG Bielefeld auf. „1993
haben wir vor 6.500 Zuschauern in der Seidensticker-Halle den Aufstieg
in die 2. Bundesliga gefeiert. Ein Moment, den ich nie vergessen werde.“
Die aktive Zeit neigte sich dem Ende zu, aber Diedl konnte die Finger
vom Handball nicht lassen.
In der Saison 93/94 sollte es als Co-Trainer unter Hotti Bredemeier zum
Erstligisten HSV Düsseldorf gehen, ein Vertrag kam aufgrund finanzieller
Engpässe der Rheinländer aber nicht zustande. Ein Jahr später meldete
sich sein alter Verein und fragte an, ob er sich nicht den Job des
Co-Trainers bei der TSG vorstellen könne. Konnte er, um nur zwei Monate
später den Posten des Cheftrainers inne zu haben. „Damals bin ich
viermal die Woche von Münster nach Bielefeld gefahren, zudem habe ich
nebenher als Reiseveranstalter – Mallorca ist meine zweite Heimat –
gearbeitet. Als ich 1995 zum ersten Mal Vater wurde und feststand, dass
wir als Familie den Wohnort nicht wechseln wollen, habe ich ein Angebot
von Sparta Münster angenommen“. Es folgen Jahre als Trainer in der
Oberliga, ehe es 2001 für zwei Spielzeiten zum Regionalligisten
Ibbenbürener Spvg. ging. Anschließend unterzeichnete er einen Vertrag
beim ambitionierten Zweitligisten HSG Augustdorf-Hövelhof. „Dort hatten
wir eine Kooperation mit dem TBV Lemgo, so dass talentierte Handballer
wie Sören Christophersen, Rolf Hermann, Andre Kropp oder Rico Bonath per
Zweitspielrecht bei uns trainierten und spielten. Eine tolle Truppe
hatten wir damals beisammen“, erinnert sich von Boenigk gerne an diese
Zeit zurück. Über den Umweg Ahlener SG fand er 2009 den Weg zum
Oberligisten ASV Senden, dem er bis heute treu ist. „Da ich inzwischen
als Lehrer am Genossenschaftlichen Berufskolleg in Münster arbeite und
diese Arbeit oberste Priorität hat, passt der Trainerjob in Senden ganz
gut. Den Aufwand, den du als Trainer in der 2. Bundesliga betreiben
musst, ist doch sehr groß. Und ich werde ja auch nicht jünger“, so der
59-jährige.
Dass im Hause von Boenigk der Bundesliga-Handball weiterhin Bestand
hat, dafür sorgt seit dieser Saison sein 20-jähriger Sohn. Und der
Senior ist nicht ganz unschuldig an dieser Entwicklung. „Ich habe Papas
Bundesligazeiten nicht wissentlich erlebt und er hat mich auch nicht zum
Handball gedrängt. Bei einem E-Jugend-Turnier in Münster bin ich auf
den Geschmack gekommen und habe dann bis zur B-Jugend bei Sparta Münster
gespielt. Mein Ziel war die A-Jugend-Bundesliga, und da mein Vater
Trainer beim ASV Senden ist, hat es sich angeboten, dort in der höchsten
Jugendklasse zu spielen“, berichtet Jan von Boenigk über seinen
Werdegang. Bis Jahresbeginn 2014 verläuft alles nach Plan, ehe eine
schwere Verletzung den Youngster in seiner Entwicklung zurückwirft.
„Wadenbeinbruch im Schulsport. Nach normalem Verlauf 6 bis 8 Wochen
Pause. Bei meinem Heilungsverlauf gab es aber Komplikationen, so dass
ich ein halbes Jahr komplett pausieren musste.“ Seine weitere sportliche
Entwicklung geriet ins Stocken, aber nicht ins Wanken. Im Sommer des
gleichen Jahres ging es zum TBV Lemgo, wo er unter Trainer Florian
Kehrmann bei den Youngstern die so wichtige Anschlussförderung
durchlaufen hat. „Der Kontakt zu Flo kam über Papa zustande, die sich
gut kennen. Als das Angebot kam, musste ich nicht lange überlegen. Das
Drumherum in Lemgo ist sehr professionell. Die jungen Spieler wohnen in
WG´s zusammen, die TBV-Youngsters spielen in der 3. Liga und trainieren
häufiger zusammen mit dem Bundesligateam. Das mein Trainer selber
Linkshänder ist, kam mir nur entgegen. Und durch meine Tätigkeit als
`Bufdi´ konnte ich Einblicke hinter die Kulissen gewinnen. Insgesamt ein
gutes Jahr für mich, zumal ich dort auch verletzungsfrei geblieben
bin“, so der 20-jährige, dessen beruflicher und sportliche Werdegang in
diesem Jahr aber neuen Input erfährt. Im August hat Jan von Boenigk
eine Ausbildung zum Bankkaufmann begonnen, läuft zudem für Eintracht
Hagen in der 2. Bundesliga auf. „Beruf und Handball haben aktuell den
gleichen Stellenwert, das passt im Moment in Hagen ganz gut zusammen.
Zudem wird bei der Eintracht die 2. Mannschaft sehr wichtig genommen,
was für junge Spieler perfekt ist. Gestern habe ich noch Oberliga
gespielt, um heute mit der Bundesligamannschaft aufzulaufen.“ Grund zur
Freude hat auch Lars Hepp, sein aktueller Trainer. Fragt man ihn nach
seinem neuen Schützling, gerät er fast ins Schwärmen: „Jan ist sportlich
wie menschlich ein absoluter Gewinn für meine Mannschaft. Er hat sich
innerhalb kürzester Zeit integriert und zeigt sowohl auf Halbrechts als
auch Rechtaußen tolle Leistungen. Zudem ist er sehr wissbegierig.“
Mich wundert das Statement des Trainers nicht. Nach dem Gespräch
mit Diethard und Jan von Boenigk bleibt mir im Kopf vor allem eines
hängen: Beide haben mit ihrer westfälisch-bescheidenen Art nicht die
Bodenhaftung verloren – sehr geerdet! Nur sportlich gesehen wird der
Ball nicht flach gehalten. Nach der Zukunft gefragt, kommt vom Junior
die Antwort: „Gesund bleiben, das ist das A und O. Alles Weitere wird
sich dann ergeben.“ Und Diedl ergänzt: „Ich bin als Vater natürlich
stolz auf Jans Entwicklung. Er ist mit seinen 20 Lenzen schon ziemlich
weit und sehr klar im `Kopp´. Wohin ihn sein weiterer Weg führt, bleibt
abzuwarten. Die Verletzung im vergangenen Jahr hat ihm die Augen
geöffnet, dass es schnell vorbei sein kann. Aber wenn es weiter so läuft
wie aktuell, traue ich ihm den Sprung in die 1. Bundesliga zu.“
Foto: Max Sander