Jaron Siewert: Mut und Vertrauen - von der Füchse-Philosophie geprägt
Er ist der Shootingstar der deutschen Trainer-Gilde: Jaron
Siewert. Mit gerade einmal 23 Jahren hat der gebürtige Berliner im vergangenen
Sommer bei TUSEM Essen seinen ersten Trainerjob als Chefcoach in der Bundesliga
übernommen. Sportlich geprägt wurde er bei den Füchsen Berlin, wo er in B- und
A-Jugend gleich mehrere Deutsche Meisterschaften feiern konnte. Und auch bei
den “großen Füchsen“ kam er in Bundesliga und Champions League mehrfach zum
Einsatz, um mit nur 20 Jahren seine aktive Karriere zu beenden und fortan in
der Füchse-Town das Trainer-Handwerk zu erlernen. Sein Mentor Bob Hanning sagt
über ihn: „Der
Anspruch eines Jugendnationalspielers muss es sein, etwas Besonderes zu haben.
Bei Jaron war das als Spieler der Fall. Bei ihm war es die Teamfähigkeit, das
Erkennen von Situationen, in denen er gebraucht wurde, und der Wille, Ziele zu
erreichen. Als Trainer arbeitet er ziel- und lösungsorientiert. Er ist zudem
ehrgeizig, kompetent und hat ein Talent zur Führung. Aus diesen Gründen habe
ich Jaron in jungen Jahren den Schritt zur Trainerlaufbahn empfohlen.“
Hallo Jaron, seit vier Monaten bist du nun als hauptverantwortlicher
Trainer bei TUSEM Essen tätig. Wie läuft´s?
Jaron Siewert: „Klar hätte ich mir gewünscht, dass
unser Start in die aktuelle Bundesligasaison erfolgreicher und somit mein Start
in Essen für mich persönlich einfacher verlaufen wäre. Im Auftaktspiel sind wir
in Balingen doch mächtig unter die Räder gekommen. Anschließend haben wir einige
Spiele mit nur einem Tor Differenz verloren. Kleinigkeiten haben den
Unterschied ausgemacht. Ich habe mir natürlich so meine Gedanken gemacht und
viel analysiert. Zweifel kamen mir aber auch nach 0:10 Punkten nicht, da ich von
unseren Zielen überzeugt war. Die Tabelle spiegelt sportlich gesehen nicht die
Leistungsfähigkeit meines Teams wieder. Die Mannschaft zieht voll mit, unsere
Gemeinschaft ist intakt und ich bin froh, dass wir uns am vergangenen
Wochenende mit zwei Siegen am Doppelspieltag dafür belohnt haben und nun mit
10:16 Punkten den Anschluss ans Mittelfeld der Tabelle herstellen konnten. Das
TUSEM-Umfeld ist für Zweitligaverhältnisse super und ich sehe meine Aufgabe
darin, die jungen Spieler aus unserer Talentschmiede weiterzuentwickeln und sie
an das Niveau der Bundesliga heranzuführen.“
Mit 23 Jahren bist du mit Abstand der jüngste Trainer in der
Handball-Bundesliga. Wie kommt man mit Anfang 20 auf die Idee, seine
Spieler-Karriere bei den Füchsen Berlin zu beenden, um ins Trainergeschäft
einzusteigen?
Jaron Siewert: „Zunächst einmal möchte ich betonen,
dass es mich glücklich macht, meine sportliche Jugend bei den Füchsen Berlin
verbracht und das alles dort erlebt zu haben. Ich habe in jungen Jahren viel
erreicht und bin dem Verein extrem dankbar dafür. Aber auch wenn ich schon im
Seniorenbereich in Champions League und Bundesliga Spielpraxis sammeln durfte,
kam für mich früh die Erkenntnis: Sportlich wird es bei mir nicht reichen, um
mich in der Bundesliga zu etablieren. Da ich aber dem höherklassigen Handball verbunden
bleiben wollte, habe ich mit Hilfe von Bob Hanning den Weg ins Trainergeschäft
eingeschlagen.“
Du bist ein Kind der Füchse-Town. Wie sehr hat dich das
Nachwuchs-Konzept der Füchse in deiner zweiten Karriere als Trainer geprägt?
Jaron Siewert: „Als Kind bin ich das erste Mal in einer
Schul-AG in Berlin-Reinickendorf mit dem Handball in Berührung gekommen, um
dann bei den Füchsen-Minis die ersten Schritte im Verein zu machen. Ich habe
sicherlich von der sehr guten Entwicklung des Vereins in den vergangenen zehn
Jahren profitiert. Als Bob Hanning damals nach Berlin kam, ist in wenigen
Jahren viel entstanden: die Sportschule, die Füchse-Town, die Etablierung der
1. Mannschaft in der Bundesligaspitze. Bei den Füchsen gibt es – auf und neben
dem Spielfeld – diese Mentalität: Wer hart arbeitet, kann viel erreichen. Bob
Hanning hat bei meinem Werdegang als Spieler und Trainer großen Einfluss auf
mich gehabt. Er war es auch, der mir in einem Gespräch die Perspektive als
Trainer aufgezeigt und mich in den vergangenen Jahren gefordert und gefördert
hat. Aber ich bin auch Dagur Sigurðsson dankbar, der mir als
19-jähriger die Möglichkeit gegeben hat, Spielpraxis in der Bundesliga zu
sammeln. Als Trainer braucht es Mut, um dort auf junge Spieler zu setzen.
Unvergessen bleibt, als wir mit den Füchsen in Wetzlar gespielt haben und er
mich fünf Minuten vor Schluss bei Unentschieden eingewechselt hat. Vertrauen
und Mut – diese Philosophie der gesamten Füchse-Familie hat mich stark geprägt.
Dazu kommen die perfekten Trainingsbedingungen, die mir den Einstieg in den
Trainerjob leicht gemacht haben. Ich habe schon als Spieler viel Wert darauf
legt, Dinge im taktisch-technischen Bereich zu hinterfragen. Warum mache ich
das in diesem Moment? Diese Denkweise hilft mir heute in meiner täglichen
Trainingsarbeit und während eines Spiels an der Seitenlinie.“
TUSEM Essen gilt in Handball-Deutschland als einer der
besten Ausbildungsvereine. War das für dich der maßgebliche Grund, um von der
Spree an die Ruhr zu wechseln?
Jaron Siewert: „Bei solch einem Wechsel spielt
sicherlich auch der Zufall eine gewisse Rolle. Die Trainerposition in Essen war
vakant und musste neu besetzt werden. Über den Kontakt Bob Hanning ist der
TUSEM damals auf mich zugekommen. Die Philosophie des Vereins passt zu mir.
Gleich 11 Spieler aus dem TUSEM-Nachwuchsbereich sind aktuell in unserem Bundesliga-Kader
zu finden. Ich bin überzeugt, dass der eingeschlagene Weg zum Erfolg führen
wird. Was mir meine Aufgabe sehr erleichtert, ist die Zusammenarbeit mit meinem
Co-Trainer Michael Hegemann, der seit kurzem auch wieder meine jungen Spieler
auf dem Spielfeld unterstützt. Michael kann im Handball auf eine große Erfahrung
zurückgreifen, die ich aufgrund meines Alters naturgemäß nicht vorweisen kann.
Wir tauschen uns inhaltlich über viele Dinge aus und ergänzen uns super.“
Wenn du mal nicht an Handball denkst – womit vertreibst du
dir deine Zeit?
Jaron
Siewert: „Ich studiere seit drei Jahren Betriebswirtschaftslehre an
der Beuth Hochschule für Technik in Berlin. Aktuell bin ich in meinem letzten
Semester im Fernstudium und werde voraussichtlich im nächsten Jahr meinen
Bachelor in der Tasche haben.“
Jaron, vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg in der
laufenden Saison.
Fotos: TUSEM Essen - Camera4