Seit 2003 steht er als Geschäftsführer an der Spitze der DKB
Handball-Bundesliga: Frank Bohmann. Seitdem hat er maßgeblich die professionelle
Entwicklung des deutschen Handball-Oberhauses vorangetrieben, um dieses als
stärkste Handballliga der Welt auf dem nationalen wie internationalen
Sportmarkt zu etablieren. Doch der Fokus des 53-jährigen Rheinländers liegt
nicht allein auf der Weiterentwicklung des Premiumproduktes `1. Bundesliga´,
wie er mir im Interview während eines Zweitligaspiels verdeutlicht hat.
Hallo Herr Bohmann, ich treffe Sie heute im Rahmen des Spiels
TV Emsdetten vs. Eintracht Hildesheim. Was führt Sie in die Emshalle?
Frank Bohmann: „Es sind
mehrere Gründe. Zum einen möchte ich
hier guten Handball sehen. Zudem habe ich mich im Vorfeld des Spiels mit
dem
neuen Management des TV Emsdetten zusammengesetzt, um uns in Fragen der
Lizensierung auszutauschen. Der TVE stand viele Jahre für
wirtschaftliche
Solidität. Als der Verein 2013 in die 1. Bundesliga aufstieg, wurde das
Prinzip
ein wenig verlassen und es wurden finanzielle Risiken eingegangen, um
unbedingt
die Liga zu halten. An dieser Entwicklung hat man hier lange geknabbert.
Auch
aktuell befindet sich der TVE noch in wirtschaftlich schwierigem
Fahrwasser.
Aber die neue Geschäftsführung um Heike Schürkötter und Frank Wiesner
hat die aktuelle
Situation treffend analysiert und mit kaufmännischer Solidität wird
jetzt
wieder ein guter Weg beschritten. Sportlich läuft es ja schon länger
wieder
beim Tabellenführer der `ewigen Tabelle
der 2. Handball-Bundesliga´. Man sieht das klare Konzept von Trainer
Daniel Kubeš. Es ist beeindruckend zu sehen, was seit dem
Erstligaabstieg
sportlich hier aufgebaut wurde. Ich habe heute in Reihen des TVE einige
Spieler
mit Erstligapotential gesehen, allen voran Yannick Dräger und Jasper
Adams.
Neben den beruflichen Gründen hat es mich heute auch privat nach
Emsdetten
geführt. Die Familie meiner Frau stammt aus Emsdetten und wir sind mit
Mutter
und Tanten abends zum Spiel gegangen.“
Das Hauptaugenmerk der HBL liegt auf der DKB Handball-Bundesliga
als Premiumprodukt. Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang für Sie der
Stellenwert der 2. Bundesliga?
Frank Bohmann: „Es ist nicht so, dass unser gesamter Fokus
ausschließlich auf die DKB Handball-Bundesliga gerichtet ist. Für uns ist auch
die 2. Bundesliga von enormer Bedeutung und es wird von Seiten der HBL GmbH
viel in deren Produktentwicklung investiert. Durch den neuen Fernsehvertrag
haben sich in dieser Saison die Medienerlöse für alle Zweitligisten im
Vergleich zum Vorjahr verfünffacht, außerdem bin ich sehr zuversichtlich, dass
die 2. Bundesliga durch diesen Medienvertrag bereits in naher Zukunft noch einmal
deutlich mehr Medienpräsenz haben wird. Derzeit bieten wir seit einiger Zeit
auf unserer Webseite unter anderem zusammenfassende Clips aller Spiele der 2.
Bundesliga an. Viele Clubs produzieren und übertragen professionell und mit
beachtlichem Erfolg ihre Spiele. Dies ist auch der sportlich hohen
Attraktivität dieser Liga geschuldet. Und
auch in sportlicher Hinsicht genießt die 2. Bundesliga bei uns einen riesigen
Stellenwert, um die Entwicklung des deutschen Handballs insgesamt voranzubringen.
Viele der heutigen Nationalspieler haben ihre sportliche Karriere in der 2.
Liga begonnen. Für junge Spieler im Alter von 18 bis 19 Jahren ist der Sprung
in die 1. Bundesliga häufig schwer zu schaffen. In der 2. Bundesliga sind sie
aber konkurrenzfähig und werden dort an höhere Aufgaben herangeführt.“
Seit 2011 wird die 2. Bundesliga eingleisig geführt, was zu
einer deutlichen Professionalisierung der Vereine geführt hat.
Frank Bohmann: „Damals gab es nicht wenige Kritiker von
Seiten der Vereine, die sich mit dieser Entscheidung sehr schwer getan haben. Dass
dieser Schritt aber notwendig war, zeigt sich heute. Hätten wir die
Zweigleisigkeit beibehalten, wären die Unterschiede zwischen 1. und 2.
Bundesliga noch deutlich größer geworden. Auch wenn mit Hüttenberg und
Ludwigshafen-Friesenheim aktuell wieder zwei Aufsteiger tief im Tabellenkeller
stehen, – was in meinen Augen vor allem an den finanziell beschränkten
Möglichkeiten beider Vereine liegt – haben sich doch etliche Aufsteiger in den
vergangenen Jahren in der 1. Bundesliga etablieren können. Leipzig und Erlangen
sind hervorragende Beispiele, wie so etwas gelingen kann. Es ist bei weitem
nicht mehr so, dass die Aufsteiger automatisch im kommenden Jahr wieder den
Gang in die Zweitklassigkeit antreten müssen. Und auch in Sachen
Zuschauerschnitt gibt es doch eine sehr erfreuliche Entwicklung. Aktuell liegen
wir in der 2. Bundesliga bei einem Schnitt von 1700 bis 1800 Zuschauern pro
Spiel. Daran wäre bei einer zweigleisigen 2. Liga nicht zu denken gewesen.“
Auch in der 2. Bundesliga ist der Trend zu beobachten, dass
der Handball mehr und mehr den Weg in die Großstädte findet. Seit dieser Saison
sind mit den Rhein Vikings und dem HC Elbflorenz Städte wie Düsseldorf und
Dresden in der Liga vertreten. Und auch der HSV aus Hamburg steht aktuell vor
einer Rückkehr in die Bundesliga.
Frank Bohmann: „Handball kommt vom Dorf und aus den kleinen
Städten – und ich möchte diese Wurzeln auch nicht missen. Ich bin der Meinung,
es kommt auf die richtige Mischung an. Eine große Halle und bessere wirtschaftliche
Rahmenmöglichkeiten sorgen ja nicht automatisch dafür, dass es für einen
Handballverein sportlich und finanziell in einer Großstadt funktioniert. Oft
herrscht dort eine ganz andere Wettbewerbssituation und ein Verein muss sich deutlich
stärkerer Konkurrenz aus Sport und Kultur stellen. Es gibt aus der 1.
Bundesliga mit Flensburg, Göppingen oder Melsungen doch hervorragende
Beispiele, dass es auch in Städten, die nicht das Kriterium „Großstadt“
erfüllen, gelingen kann, Handball auf höchstem Niveau zu präsentieren.“
Nach dem enttäuschenden Abschneiden der deutschen
Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft in Kroatien gab es viel Kritik
an Christian Prokop. In der vergangenen Woche gab das Präsidium des Deutschen
Handballbundes bekannt, am Bundestrainer festhalten zu wollen. Wie sehen Sie
aus HBL-Sicht diese Entscheidung?
Frank Bohmann: „Die Liga ist in ihrem Urteil doch gespalten,
es gibt Befürworter und Skeptiker in Reihen der Vereine zur Entscheidung des
DHB. Insgesamt betrachtet empfinde ich es als nicht gerecht, die ganze Kritik
nach dem schwachen Abschneiden in Kroatien an Christian Prokop festzumachen.
Ich halte ihn weiterhin für einen hervorragenden Trainer. Aber klar ist auch,
dass bei der EM etliche Fehler gemacht wurden. Aus diesen muss gelernt werden.
Gegen Mannschaften, wie Dänemark oder Spanien darf man verlieren, aber eine
deutsche Nationalmannschaft muss sich über das gesamte Turnier hin gesehen
sportlich anders präsentieren. Bei aller Kritik gilt aber auch zu bedenken,
dass bis zum Spanien-Spiel ein Erreichen des Halbfinales möglich war. Dann wäre
die kritische Auseinandersetzung gerade in den sozialen Netzwerken wohl eine deutlich
andere gewesen. Die Entscheidung des DHB steht – und ich habe große Hoffnung,
dass sportliche Erfolge diese Entscheidung bestätigen werden. Es gilt, den
Blick nach vorn zu richten und den Weg, der seit 2013 beschritten wurde,
fortzusetzen. Die Weltmeisterschaft 2019 im eigenen Land bietet uns dazu eine
riesige Chance.“
Herr Bohmann, vielen Dank für das Interview.
Fotos: Max Sander