Handball gehört in Deutschland zu den populärsten Sportarten, die
hiesige Bundesliga gilt gemeinhin als die stärkste Liga der Welt. Doch
im Schatten des übermächtigen Fußballs hat es unsere Sportart schwer,
medial im Fokus der Öffentlichkeit zu landen. Einer, der es in Sachen
Medienpräsenz mit den Balltretern aufnehmen kann, ist Stefan
Kretzschmar. Auf diese Öffentlichkeitsarbeit muss ein Sportler Bock
haben, wie er Handball-Backstage während des Saison-Openings in der
Dortmunder Westfalenhalle erzählt hat.
Hallo Stefan, du hast am vergangenen Mittwoch in Stuttgart den
Supercup zwischen Flensburg und Kiel live kommentiert. Obwohl der THW
das Spiel knapp für sich entscheiden konnte – ist die SG nach dem
Weggang von Filip Jicha in Sachen Favoritenrolle in der Meisterschaft
mit den Kielern gleichgezogen?
Stefan Kretzschmar: „Die SG
Flensburg-Handewitt ist für mich ein ernsthafter Kandidat, der am
nächsten am THW Kiel dran ist. Sie haben sich gut verstärkt, vor allem
in der Breite des Kaders sind sie gut aufgestellt. Sie verfügen sogar
über mehr Wechselmöglichkeiten als der THW. Zudem hat Ljubomir Vranjes
eine gute Spielphilosophie, das wurde schon beim Supercup deutlich.
Insgesamt erwarte ich einen Vierkampf um die Meisterschaft. Auch die
Rhein-Neckar-Löwen und der SC Magdeburg haben ihre Chancen.“
Der VfL Gummersbach hat in den letzten zwei Jahren eine positive
Entwicklung zu verzeichnen? Sind die Oberbergischen schon wieder ein
Kandidat für den Europapokal? Wie siehst du den heutigen Event in der
Westfalenhalle?
Stefan Kretzschmar: „Beim VfL
schon von Europa zu sprechen, soweit würde ich nicht gehen. Etliche
Vereine in der Bundesliga haben teils deutlich höhere Etats. Aber es ist
schön zu sehen, dass die Konsolidierungsphase erfolgreich verlaufen
ist. Die neue Halle hat eine Euphorie im Bergischen Land entfacht. Der
VfL Gummersbach ist für mich ein toller Verein mit einer sympathischen
Mannschaft. Dass diese heute hier in der Westfalenhalle auflaufen kann,
finde ich super. Hier trieft es ja nur so vor Tradition, Heiner Brand
und die Gummersbacher haben hier große Europapokalschlachten geschlagen.
Es ist eine tolle Halle, die ruhig öfters für den Handball genutzt
werden sollte. Schade, dass Dortmund keine Handball-Bundesligamannschaft
hat.“
Apropos Handball und Großstadt – mit Stuttgart und Leipzig sind zwei Metropolen neu in der Bundesliga vertreten.
Stefan Kretzschmar: „Hamburg,
Berlin und die Löwen mit Mannheim haben diesen Trend vorgezeichnet. Ich
begrüße diese Entwicklung. Der TVB Stuttgart ist mit der Porsche-Arena
und der SCHARRena sehr gut aufgestellt. Es bietet dem Verein größere
ökonomischere Möglichkeiten, da auch von einem größeren Einzugsgebiet
profitiert werden kann. Wichtig ist, die Historie nicht außer Acht zu
lassen.“
Und Leipzig? Was macht dich sicher, dass mit dem DHfK dein Verein nach
einem Jahr nicht wieder gen Zweitklassigkeit verschwindet? Wie groß ist
die Euphorie in der Sachsenmetropole?
Stefan Kretzschmar: „Sicher
bin ich mir nicht, ich habe aber ein gutes Gefühl. Wir haben einen guten
Trainer, dem ein Kader zur Verfügung steht, mit dem es gelingen kann,
am Ende drei bis vier Mannschaften hinter sich zu lassen. Es muss aber
alles passen. In der 2. Liga hatte die Mannschaft einen unglaublichen
Teamspirit. Diesen gilt es auch in Liga 1 zu leben. Im Land Sachsen ist
die Handballeuphorie groß, dass nach 25 Jahren wieder ein Erstligist von
dort kommt. Ich hoffe, dass unsere Halle häufiger ausverkauft sein
wird. In Leipzig selber haben wir mit Red Bull eine Übermannschaft, die
absolute Nr. 1 in Sachen Zuschauergunst und Medieninteresse. Heute waren
gegen St. Pauli über 40.000 Zuschauer im Stadion.“
Ich habe vor kurzem mit SG-Geschäftsführer Dierk Schmäschke ein
Interview geführt. Er sagt über dich: „Stefan Kretzschmar wird auch in
den nächsten Jahren eines der Gesichter des deutschen Handballs sein.
Wir kennen uns gut und ich finde, dass er seinen Job als
Gesamterscheinung in den Medien hervorragend macht. Es gibt Einige, die
das Potential haben, mal in seine Fußstapfen zu treten. Paul Drux kann
einer werden, vielleicht auch Uwe Gensheimer.“ Wie siehst du das?
Stefan Kretzschmar: „Nicht
einfach zu beantworten. Heute ist es viel schwieriger sich in der
Medienlandschaft zu behaupten als zu der Zeit, als ich medial
eingestiegen bin. Wichtig ist, mit den Medien spielen zu können.
Sportlich gesehen ist es bei Drux und Gensheimer keine Frage, auch
Weinhold und Heinevetter stechen da hervor. Man muss es wollen. Du musst
auch außerhalb vom Handball Interviews geben, in Talkshows präsent
sein. Es ist ein enorm großer Zeitaufwand. Ich würde mir ein neues,
mediales Aushängeschild im deutschen Handball wünschen.“
Aktuell herrscht beim DHB ein Burgfrieden, die Funktionäre haben sich
auf Andreas Michelmann als Präsidentschaftskandidaten geeinigt. Wie
bewertest du im Nachhinein den ganzen Streit im Verband?
Stefan Kretzschmar: „Gar
nicht. Das ist eine Sache zwischen zwei Menschen. Ich sehe die ganze
Diskussion aus einer anderen Perspektive als Heiner Brand und Bob
Hanning. Aber ich bin und werde immer loyal gegenüber Heiner sein, weil
ich ihn als Mensch ungemein schätze. Zu Bob möchte ich mich nicht
äußern. Was er für ein Mensch ist, kann man eh schon überall lesen. Der
ganze Streit hilft unserer Sportart rein gar nicht.“
Stefan, vielen Dank für das Interview
Fotos: Max Sander