Er gilt als das Gesicht des Deutschen Handballs: Heiner Brand. Jeder,
wirklich jeder kennt ihn. Seine sportliche Vita ist beeindruckend. Er
hat in seiner Spielerkarriere mit der deutschen Nationalmannschaft im
Jahr 1978 den Weltmeistertitel errungen, zudem mit dem VfL Gummersbach
etliche Deutsche Meisterschaften und DHB-Pokalsiege sowie
Europapokalsiege ins Bergische Land geholt. Nach seiner aktiven Zeit
wagte der 61-Jährige mit dem markanten Schnauzbart Mitte der 80er Jahre
den Sprung an die Seitenlinie, als Trainer kann er fast ebenso viele
Erfolge vorweisen wie als Aktiver. Herausragend sicherlich der
Weltmeistertitel 2007, der in der deutschen Sporthistorie gerne als
Wintermärchen tituliert wird. Vor zwei Jahren hat sich der Gummersbacher
von der Trainerbank verabschiedet, übt seitdem den Job des
DHB-Direktors aus. In seiner Funktion wird er nicht müde, aktuelle
Entwicklungen im deutschen Handball zu hinterfragen und Lobbyarbeit für
eine nachhaltige Jugend- und Talentförderung zu betreiben. Für uns fand
er vor seiner Reise zur U19-WM nach Ungarn Zeit, seine Sicht der Dinge
auf die kommende Spielzeit in der DKB-Handball-Bundesliga
wiederzugeben.
Hallo Herr Brand, in Ihrer Funktion als DHB-Direktor gelten Sie
seit Jahren als Mahner des Deutschen Handballs und brandmarken immer
wieder die DKB-Handball-Bundesliga und deren Vereine in Bezug auf die
Nachwuchsförderung. Wie sehen Sie aktuell die Entwicklung?
Heiner Brand: „Schon als
Bundestrainer habe ich vor 15 Jahren darauf hingewiesen, dass wir den
Nachwuchs unterstützen und individuell fördern müssen. Zudem brauchen
unsere Talente, die zweifelsohne vorhanden sind, Einsatzzeiten in der 1.
und 2. Liga. Das findet leider nicht in dem von mir gewünschtem Maße
statt. Es gibt gute Beispiele für Jugendarbeit: GWD Minden, SC
Magdeburg, VfL Gummersbach, Füchse Berlin und einige andere. Was mir
aber fehlt, ist eine gezielte Anschlussförderung nach der Jugendarbeit.
Die jungen Talente schaffen nicht im ausreichenden Umfang den Sprung in
die Kader der Bundesligavereine, um sich in den folgenden Jahren zu
Leistungsträgern zu entwickeln.“
In einem Interview im aktuellen Handball-Magazin (08/13) äußert
sich Frank Rost, geschasster Geschäftsführer des HSV Hamburg, kritisch
in Bezug auf eine Quotenregelung für deutsche Nachwuchstalente in
Bundesligavereinen. Wie sehen Sie das Thema Quotenregelung?
Heiner Brand: „Zuerst
einmal bleibt festzuhalten, dass Herr Rost nicht mehr Geschäftsführer
beim HSV Handball ist. Es ist ein Phänomen im Handball heutiger Tage,
das sich häufiger Leute ohne entsprechendes Fachwissen zu Wort melden,
die nicht so nah am Thema dran sind. Frank Rost sollte sich erst in die
Materie Handball einarbeiten, aktuell hat er sicher mehr Ahnung vom
Fußball. Da zähle ich dann eher auf die Meinung von Christian Schwarzer
oder Markus Baur, die sich schon viele Jahre Handballwissen aneignen
konnten. Ich bin seit 40 Jahren im Geschäft und die Quotenregelung ist
ja schon länger ein Thema. Ich sehe sie als Notsystem, weil sich in der
Bundesliga in Sachen Nachwuchsförderung zu wenig bewegt. Ein Blick in
andere Länder und andere Sportarten zeigt, dass die Quotenregelung
durchaus praktikabel ist. Der spanische Basketball arbeitet mit einer
Quote, in den vergangenen Jahren konnte deren Nationalmannschaft bei
Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen sogar den USA Paroli bieten.
Und auch die Entwicklung im deutschen Eishockey zeigt, dass diese
Maßnahme zur Förderung des Nachwuchses Vorteile birgt. Leider hat sich
die HBL bislang geweigert, das Thema Quotenregelung anzugehen.“
Der TV Emsdetten ist im Juni diesen Jahres in die 1. Bundesliga
aufgestiegen. In der Sommerpause hat der Verein sechs Neuverpflichtungen
vorgenommen, allesamt ausländische Spieler. Aktuell stehen im Kader
Spieler und Trainer aus 14 verschiedenen Nationen. Eine Entwicklung, die
sicher nicht in Ihrem Sinne ist, oder?
Heiner Brand: „Das kann man
so sagen. Ich sehe schon den Druck, den ein Aufsteiger hat, um den
Klassenerhalt in der HBL zu schaffen und habe somit ein gewisses
Verständnis für die Kaderpolitik. Aber das ist nicht der Weg, der auf
Dauer zum Erfolg führt.“
In der vergangenen Saison hat sich Lothar Weber, Geschäftsführer
des TV Hüttenberg, in einem Interview über die Arroganz einiger
Retortenvereine wie den HSV oder die Rhein-Neckar-Löwen geärgert, die
sich gegenüber den kleinen Vereinen der 1. Bundesliga nicht gut benommen
hätten. Er sieht zudem die Gefahr, dass Bundesliga-Handball in
kleineren Städten in Zukunft nicht mehr zu finanzieren ist? Wie sehen
Sie als Gummersbacher die Entwicklung? Haben Aufsteiger wie Emsdetten
oder Eisenach überhaupt eine zumindest mittelfristige Perspektive im
Oberhaus?
Heiner Brand: „Es ist für
die Aufsteiger deutlich schwieriger geworden, sich zu etablieren. Wo
mehr Geld im Spiel ist, haben die kleinen Vereine natürlich deutliche
Nachteile. Die Politik in der HBL wird aktuell von den großen Vereinen
bestimmt. Clubs wie der TVE müssen es schaffen, die Region mit ins Boot
zu holen. Wobei natürlich entscheidend ist, welche Wirtschaftskraft dort
vorherrscht. Eine neue Halle wie bei uns in Gummersbach ist dabei ein
ganz wichtiger Baustein. In der neuen Schwalbe-Arena können jetzt über
4.000 Zuschauer untergebracht werden. Vorher waren es nur 2.000 Fans in
der alten Eugen-Haas-Halle. Entscheidend ist heute, die Bundesligaspiele
vernünftig durchzuführen. Die Zuschauer wollen heute ein Event erleben,
ein Verein braucht dafür die nötige Infrastruktur und moderne Technik.
Auch Sponsorenräume und ViP-Logen gehören dazu. Wirtschaftsunternehmen
stellen da heute gewisse Anforderungen beim Sponsoring.“
Herr Brand, vielen Dank für das Gespräch.
Foto: Detlev Hebel Marketing