Europa ist sein Zuhause

Bis zu seinem 16. Lebensjahr hatte Janko Božović, österreichischer Handball-Nationalspieler, recht wenig mit Handball zu tun. Zumindest nicht aktiv, denn bis Anfang der Nuller-Jahre galt er in der Alpenrepublik als aufstrebendes Tennistalent. „Ich habe damals in der österreichischen Sportleistungsakademie in der Nähe von Wien täglich Tennis gespielt, war auf dem Sprung zum Profi“, so der 30-jährige Linkshänder im Rückblick. Warum dann Handball? „Das hat wohl mit meinen Genen zu tun. Meine Mutter ist eine ehemalige Weltklasse-Handballerin, die siebenmal mit ihrem Verein Hypo Niederösterreich die Champions League gewonnen hat. Als Kind und Jugendlicher war ich oft beim Training meiner Mama und habe all ihre Europapokalspiele live verfolgt. In der Halbzeit habe ich mir dann immer den Ball geschnappt und auf´s Tor geworfen. Eines Tages saß im Publikum ein Trainer, dem mein Talent auffiel und mich zum Training einlud. Das hat mir gut gefallen, so dass ich beim Handball geblieben bin. Zumal meine Entwicklung schnell voran ging. Mit 17 Jahren habe ich in der U21 des Erstligisten UHK West-Wien gespielt, zugleich schon in der Ersten mittrainiert. Trainer dort Igor Butulija, der mein größter Förderer war. Im Alter von 19 folgte der Sprung in die Junioren-Nationalmannschaft, ein Jahr später gab ich mein Debüt in der A-Nationalmannschaft.“
So ungewöhnlich der Karriereeinstieg, ist auch sein bisheriger Lebenslauf als Handballprofi bemerkenswert. In den vergangenen zehn Jahren ging er als Berufs-Handballer in nicht weniger als neun europäischen und einem asiatischen Land auf Torejagd. Seinen Durchbruch zu einem international gereiften Topspieler, den auch europäische Spitzenvereine auf ihrem Zettel haben, gelang ihm dabei in den vergangenen zwei Jahren. 2014 verließ er seinen damaligen Verein TV Emsdetten nach dessen Abstieg aus der 1. Bundesliga, um bei Brest GK Meschkow in Weißrussland weiter erstklassig Handball zu spielen. „Ich habe mich damals beim TVE sehr wohl gefühlt. Wir hatten ein gutes Team, das 2013 den Aufstieg in die 1. Liga geschafft hat. Leider ging´s ein Jahr später schon wieder runter. Mein Verbleib war damals finanziell für den Verein nicht mehr darstellbar, zudem wollte ich weiter erstklassig spielen. Dann kam das Angebot aus Brest. Mich hat es gereizt, sowohl in der SEHA-League (Southeast Handball Association/Anm. d. Red.) als auch in der Champions League zu spielen“, so der Österreicher mit montenegrinischen Wurzeln. Sportlich lief es gut für ihn und seinen neuen Verein, zu den Erfolgen in der Saison 2014/15 zählen der weißrussische Meistertitel und Pokalsieg sowie der 2. Platz in der SEHA-League hinter MKB Veszprém. Und trotzdem wurde der Ein-Jahres-Vertrag nicht verlängert. „Der Verein hatte mir vor der WM 2015 in Katar eine Vertragsverlängerung in Aussicht gestellt. Während der Weltmeisterschaft habe ich dann mitbekommen, dass Meschkow Brest mit einem Spieler auf meiner Position einen Vertrag für die kommende Saison abgeschlossen hat. Da war mir klar: Ich bin raus. Nach meiner Rückkehr aus Katar habe ich im Februar ein Angebot von Metalurg Skopje bekommen. Schon einige Monate zuvor wurde ich vom Manager des Vereins während eines SEHA-League-Spiels angesprochen, ob ich mir einen Vereinswechsel vorstellen könnte. Ende März habe ich dann in Skopje einen Zwei-Jahres-Vertrag unterschrieben. Auch wenn ich in Brest nur ein Jahr lang Handball spielen konnte, war diese Zeit sportlich wie menschlich für mich eine Super-Erfahrung. Die Mentalität in Weißrussland ist doch anders im Gegensatz zu vielen Ländern der EU. Ausgehen ist in Brest gar nicht so einfach, weil es keine richtigen Ausgeh-Viertel gibt. Aber meine Freundin Larissa und ich haben in dieser Zeit einige nette Menschen kennen gelernt, zu denen wir heute noch viel Kontakt haben. Wir waren dort acht Spieler vom Balkan, darunter Top-Spieler wie Rastko Stojković, David Špiler, Ivan Pešić oder Nikola Manojlović. Dazu kam Trainer Željko Babić (in Personalunion auch Trainer der kroatischen Nationalmannschaft/Anm. d. Red.), von dem ich viel lernen konnte. Wie waren damals eine große `Familie´, haben auch außerhalb des Handballs viel zusammen unternommen. Daraus ist ein Handball-Netzwerk entstanden, das ich noch heute nutze.“
Im Sommer des vergangenen Jahres ging es dann zu Metalurg Skopje, einem der Top-Adressen des europäischen Handballs. „Die ersten Monate habe ich mich gefühlt wie in einem Handball-Märchen. Im Herbst stand ich in der Champions League auf Platz 1 der Torschützenliste, zusammen mit Mikkel Hansen von Paris Saint-Germain. Es hat alles gepasst: die Mannschaft, das Umfeld, Trainer Lino Červar. Unglaublich, bei den Heimspielen die südländische Stimmung der Metalurg-Fans auf dem Spielfeld erleben zu dürfen. In Skopje sind sehr viele Menschen handballbegeistert, du wirst viel auf der Straße angesprochen. Ich war dort eine Person des öffentlichen Lebens. Einen ganzen Tag lang hat mich das EHF-TV begleitet, um eine Doku über mich zu drehen.“
Doch der neue Bekanntheitsgrad hat nicht nur positive Aspekte. Ende November stellten Einbrecher die Wohnung von Janko Božović und seiner Freundin auf den Kopf. „Ich war zu dem Zeitpunkt sportlich unterwegs, Larissa gerade in Deutschland. Das müssen die Diebe gewusst haben. Von da an haben wir uns in unseren eigenen vier Wänden nicht mehr wohl gefühlt.“ Dazu kamen finanzielle Probleme seines Vereins, der mit den Gehaltszahlungen in Rückstand gerät. Im Januar dieses Jahres sucht der Linkshänder das Gespräch mit den Vereinsoberen, um zu klären, wie es finanziell weitergeht. Denn ein Angebot aus der 1. Bundesliga mit Beginn der Rückrunde stand im Raum. „Mir wurde versichert: Alles ist gut, du bleibst. Daraufhin habe ich dem Verein aus Deutschland abgesagt. Um mir nur einen Monat später mitzuteilen, dass mich Metalurg doch nicht mehr bezahlen könne. Gleichzeitig gab es ein Angebot von Al-Rayyan, einem Top-Verein aus Katar, der mich für zwei Monate verpflichten möchte. Kurze Bedenkzeit, dann ging es noch am gleichen Tag ins Emirat an den Persischen Golf.“
Während Božović in den nächsten Wochen ein Sportlerdasein aus dem Hotelzimmer erlebt, kümmert sich Freundin Larissa um die Auflösung der Wohnung in Skopje. Alles wurde in Kisten und Kartons verpackt und zur Verwandtschaft nach Montenegro gebracht. Über den Umweg Deutschland ging es auch für sie für einige Wochen in den Wüstenstaat. Sportlich wie finanziell lief es gut, auch eine Weiterverpflichtung stand im Raum. „Im Moment kann ich mir aber nicht vorstellen, eine komplette Spielzeit dort zu verbringen. Vielleicht noch einmal zum Karriere-Ende hin - wer weiß? Zurück aus Katar, habe ich in Skopje mit Metalurg eine Lösung gefunden, um meinen noch bestehenden Vertrag aufzulösen. Denn ich brauchte Sicherheit. Angebote mehrerer Vereine in Europa standen im Raum, um letztendlich bei Sporting Lissabon für zwei Spielzeiten zu unterschreiben. Der dortige Coach Francisco Javier "Zupo" Equisoain, wollte mich unbedingt verpflichten und ich habe über meine Kontakte bislang nur Gutes über Sporting gehört. Ein ambitionierter Verein, der neben dem Ziel der portugiesischen Meisterschaft auch in der kommenden Champions League-Saison für Furore sorgen möchte. Neben meiner Person wurden bislang fünf weitere Verstärkungen, darunter Carlos Ruesga, Spielmacher vom FC Barcelona, an die Atlantikküste gelotst. Am 25. Juli beginnt die Vorbereitung. Larissa und ich freuen uns auf das Leben dort und sind gespannt, wie´s laufen wird.“


Fotos: Larissa Giscak


Autor: Max Sander

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